Literatur RHEINPFALZ Plus Artikel Kann Kinderbuchautor Otfried Preußler trotz NS-Vergangenheit ein Vorbild sein?

Otfried Preußler, der Vater des Räuber Hotzenplotz. Aber auch der Autor des Romans „Erntelager Geyer“.
Otfried Preußler, der Vater des Räuber Hotzenplotz. Aber auch der Autor des Romans »Erntelager Geyer«.

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Ein Gymnasium im bayerischen Pullach bei München sorgt derzeit bundesweit für Schlagzeilen. Der Grund: Man will den Namen Otfried Preußler loswerden, weil man angeblich neue Erkenntnisse über dessen Jugend während der NS-Zeit entdeckt habe. Ist das nun ein erneutes Beispiel für die „Cancel culture“ oder verantwortungsvoller Umgang mit der Geschichte? Und was sagt man in der Otfried-Preußler-Grundschule im pfälzischen Otterberg dazu?

„Die kleine Hexe“, „Der kleine Wassermann“, „Das kleine Gespenst“ und natürlich „Der Räuber Hotzenplotz“, dessen Name übrigens auf einen Ort in der böhmischen Heimat des Autors zurückgeht. Dieser heißt auf deutsch tatsächlich Hotzenplotz, auf tschechisch Osoblaha. Über 50 Millionen Mal haben sich bis heute die Kinder- und Jugendbücher des 1923 in Reichenberg (heute Liberec) geborenen Otfried Syrowatka, dessen Familie sich nach dem erzwungenen Anschluss an das Deutsche Reich in Preußler umbenannte, verkauft. Übersetzt wurden sie in mehr als 50 Sprachen. Preußler, der 2013 verstarb, ist damit einer der erfolgreichsten und beliebtesten deutschen Autoren.

Der Jugendroman „Krabat“ ist sein wichtigstes Werk.
Der Jugendroman »Krabat« ist sein wichtigstes Werk.

In Erinnerung geblieben ist er uns als älterer Herr mit nur noch wenig Haaren, aber immer einem zwischen schelmisch und gütig changierenden Lächeln auf den Lippen. Preußler liebte seine jungen Leser, liebte es, sie mit seinen Geschichten zu verzaubern, in eine Welt der Fantasie zu entführen und ihnen mit der kleinen Hexe oder dem kleinen Gespenst treue Freunde an die Seite zu stellen. Er selbst hat einmal über seine Geschichten gesagt, dass er diese viel lieber vortragen und erzählen würde, als sie auf Papier zu bannen, weil er so viel unmittelbarer erleben könne, welche Wirkung sie bei den Zuhören entfalteten.

Die Homepage des Autors listet bundesweit 22 Schulen auf, die sich nach Otfried Preußler benannt haben. Doch eine davon – das Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach bei München – will diesen Namen nun so schnell wie möglich loswerden. Einer der Hauptgründe: der Roman „Erntelager Geyer“, der 1940/41 entstand und 1944 veröffentlicht wurde. Darin, so heißt es, glorifiziere Preußler die Hitlerjugend, der er auch selbst angehört hatte. In Pullach wirft man Preußler nun vor, dass er sich nie von diesem fragwürdigen Werk distanziert habe. Dazu muss man aber wissen, dass die Forschung von dem Roman zwar wusste, einer größeren Öffentlichkeit ist er aber erst 2015 durch einen Aufsatz eines Münchener Literaturwissenschaftlers bekannt geworden. Da war Preußler schon tot, vorher hatte ihn offensichtlich niemand nach dem Text gefragt, und ihm selbst war er wohl auch so peinlich, dass er nicht von sich aus auf ihn einging. Merkwürdig bleibt jedoch allemal, dass das Pullacher Gymnasium erst jetzt Anstoß an „Erntelager Geyer“ nimmt.

Susanne Preußler-Bitsch, Tochter des Schriftstellers Otfried Preußler, präsentiert das Buch „Der Räuber Hotzenplotz“.
Susanne Preußler-Bitsch, Tochter des Schriftstellers Otfried Preußler, präsentiert das Buch »Der Räuber Hotzenplotz«.

Preußlers Jugend während der Hitler-Diktatur ist schon längst dokumentiert. Seine Familie begrüßte den Anschluss des Sudetenlandes, der Vater wurde nach dem Krieg wegen seines Engagements für das NS-Regime verurteilt. Preußler selbst war Mitglied der Bündischen Jugend, die dann in der Hitler-Jugend aufging. Kurz vor seinem 18. Geburtstag stellte er einen Aufnahmeantrag in die NSDAP, meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst, wurde 1942 eingezogen und geriet 1944 in russische Gefangenschaft. Aus dieser kehrte er erst 1949 zurück, überlebte die Zeit im Kriegsgefangenenlager laut eigener Aussage nur dank der Rettungstat einer russischen Ärztin jüdischer Abstammung.

Die Otfried-Preußler-Grundschule in Otterberg diskutiert über ihren Namensgeber.
Die Otfried-Preußler-Grundschule in Otterberg diskutiert über ihren Namensgeber.

Das ist sicherlich alles andere als ein Ruhmesblatt. Aber es ist eben auch eine typisch deutsche Biografie des 20. Jahrhunderts. Damit soll nichts entschuldigt werden, aber jeder, der mit dem Finger auf Preußler zeigt, sollte sich fragen, wie er selbst sich als junger Mensch verhalten hätte. Glaubt man den Aussagen seiner Tochter Susanne Preußler-Bitsch, so waren der Krieg und die NS-Diktatur keine Themen im Hause Preußler. Wie Millionen anderer Deutscher auch hat Preußler seine Vergangenheit, aber auch seine Traumata mit sich selbst ausgemacht.

Das heißt, so ganz stimmt das nicht. Schließlich gibt es da noch das wichtigste Buch, das Preußler geschrieben hat: den Jugendroman „Krabat“ aus dem Jahr 1971. Während Magie und Zauberei in Preußlers Kinderbüchern positiv besetzt sind, so greift „Krabat“ die dunkle, die schwarze Seite der Magie auf. Der Müllermeister ist jener Zauberer, der Krabat und die anderen Jugendlichen auf die dunkle Seite ziehen möchte, sie nicht nur in Raben verwandeln, sondern auch zu Jüngern des Teufels erziehen möchte. Er ist der Verführer der Jugend, und diese verfällt ihm, wirft sich in seine Arme. Man geht in der Interpretation sicherlich nicht zu weit, wenn man sagt: So wie Preußler dem Verführer Hitler erlegen ist.

Von Kindern weltweit geliebt: die kleine Hexe.
Von Kindern weltweit geliebt: die kleine Hexe.

Krabat befreit sich aus den Klauen des Bösen, und auch Otfried Preußler hat aus eigenen Fehlern gelernt und ein im besten Sinne des Wortes humanistisches, zugleich pädagogisch wertvolles Werk geschaffen. Sicher, der besagte Roman „Erntelager Geyer“ war ein Fehler, wie es vielleicht auch ein – jedoch menschlich nachvollziehbarer – Fehler war, nicht offen damit umzugehen. Es muss aber jedem Menschen – und damit eben auch Otfried Preußler – zugestanden werden, Fehler machen zu dürfen, zumal in jungen Jahren.

Dem Gymnasium in Pullach schlug vehementer und zum Teil beleidigender Widerspruch entgegen. „So dumm, dass es weh tut“, kommentierte die „FAZ“ noch halbwegs sachlich. Natürlich war auch die politische Rechte sofort zur Stelle und sprach von „Zensur“ und „Cancel Wahn“. Beschädigt sind nun der Autor wie die Schule, von der eine Geschichtslehrerin in der „Zeit“ mit folgender Aussage zitiert wird: „Wir müssen uns auch mit Vergangenheit auseinandersetzen, und da der Herr Preußler das ja nicht gemacht hat, offensichtlich, machen wir das jetzt für ihn.“ Das ist in einem Maße anmaßend und arrogant, dass es tatsächlich „weh tut“.

Die Ottfried-Preußler-Schule im pfälzischen Otterberg

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