Film Aus Sissi wird Elisabeth, die Feministin

Vicky Krieps als rauchende Sissi mit 40 Jahren in „Corsage“.
Vicky Krieps als rauchende Sissi mit 40 Jahren in »Corsage«.

Romy Schneider als Sissi, die spätere Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, kennen alle. Nun gibt es eine neue Sissi. Sie ist 40 , immer noch abenteuerlustig, aber auch anders.

Zuerst einmal sollte man nicht vergessen, dass Sissi (1837-1989) pfälzisches Blut hat, war sie doch eine Prinzessin aus der herzoglichen Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld-Gelnhausen der Wittelsbacher (ihr Großvater Maximilian I. war Herzog von Pfalz-Zweibrücken). Als sie 1854 ihren Cousin Franz Joseph I. heiratete, wurde sie 1854 Kaiserin von Österreich. Sie junge Sissi war fröhlich, ungestüm und abenteuerlich in den drei Sissi-Heimatfilmen (1955-1957) von Ernst Marischka. Regisseurin Marie Kreutzer (45) ändert daran nichts, sie nimmt sich die ältere Sissi vor, gespielt von der Luxemburgerin Vicky Krieps (38), die international ein Arthaus-Star ist und der Ikone ein strengeres Aussehen verleiht, aber auch schön lachen kann.

Der Film heißt „Corsage“, weil Sissi in ein enges Korsett geschnürt wird, auch in ein gesellschaftliches. An ihrem 40. Geburtstag singt der Hofstaat nicht nur: „Hoch soll sie leben“, sondern auch „Schön soll sie bleiben“. Damit ist ihre Rolle als repräsentatives Modepüppchen (neben der Mutterrolle) klar definiert. Doch Sissi hat immer mehr die Nase voll vom Leben am Hof. Das sieht ähnlich aus wie das von Lady Diana in „Spencer“ (2021), auch optisch.

Reiten statt repräsentieren

Sissi ist nie allein, fast immer begleitet sie ihre Dienerin, die ihretwegen sogar einen Heiratsantrag ablehnt. Statt dem Protokoll zu folgen, sucht Sissi bei einem Englandbesuch bei der Familie lieber die Ställe auf, um auszureiten. Man dichtet ihr eine Liaison mit dem Rittmeister an, dabei will sie nur wegreiten von ihren Verpflichtungen. Sie schwimmt nackt im See, sie raucht wie ein Schlot, aber sie hält sich auch fit: In der Badewanne versucht sie so lange es geht, mit dem Kopf unter Wasser zu bleiben – was Jungs heute noch gerne tun. Und sie hüpft lustig fluchend herum, als der frühere britische Filmemacher William Friese-Green sie filmt. Das ist wohl erfunden, passt aber gut ins Bild.

Ihren Mann will sie ein politischer Ratgeber sein, jetzt, da Krieg herrscht, aber der sagt nur: „Ich habe dich zum Repräsentieren ausgewählt, nur dazu bist du da.“ Das spornt Sissi an, andere Wege zu gehen: Sie besucht Frauen im Irrenhaus und sorgt dafür, dass sie baden können. Sie besucht die Kriegsverletzten im Lazarett und legt sich rauchend sogar zu einem ins Bett. Ihre Tochter sagt, dass sie sich für ihre Mutter schämt. Aber das ist ihr egal. Als der Arzt ihr Heroin gibt, um sie beruhigen („Das Mittel ist harmlos“), wird sie immer lustloser und lässt sich bei offizieller Vorzeige-Terminen von ihrer verschleierten Leibdienerin vertreten, flüchtet sich in Träume.

Übergroßes Gemälde

Vicky Krieps spielt in diesem eher strengen Kostümfilm, der so gar nichts von der Leichtigkeit der Sissi-Film hat und manchmal wie einziges übergroßes Gemälde wirkt, die reife Frau, die gerne jung und frei geblieben wäre, sehr überzeugend. Die Österreicherin Marie Kreutzer inszeniert sie als frühe Feministin, die immer mehr von der ihr zugedachten Rolle abweicht – weil sie es kann und niemand es wirklich wagt, sie für immer einzusperren. So entsteht ein ganz neues, zeitgemäßes Sissi-Bild (Kinostart: 7. Juli). Es wird nicht das einzige blieben: RTL und Netflix sind an Sissi-Filmen dran, und die deutsche Regisseurin Frauke Finsterwalder (46) dreht gerade fürs Kino „Sisi und ich“ (nur mit einem s) mit Sandra Hüller.

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