Rheinpfalz Mannheim: Walter Gramatté-Schau in Galerie Döbele Kunst

Expressionistische Seelenanalyse: „Die große Angst“, Radierung, 1918.
Expressionistische Seelenanalyse: »Die große Angst«, Radierung, 1918.

Viel Zeit blieb Walter Gramatté nicht, um sich in die Annalen der Kunstgeschichte einzuschreiben.

1897 geboren und damit gut zehn Jahre jünger als zum Beispiel die „Brücke“-Expressionisten, schlitterte der Berliner als junger Mensch in den Ersten Weltkrieg, zu dem er sich, wie so viele seiner Generation, freiwillig meldete. 1929 starb Gramatté 32-jährig in Hamburg an Tuberkulose. In dem Jahrzehnt zwischen Kriegsende und Tod schuf er ein Werk, das sich ambitioniert im Koordinatensystem der Klassischen Moderne zu verorten sucht, dem Publikum aber leider nur selten unter die Augen kommt: In den großen Kunstmuseen hängen sehr wenige Gramatté-Gemälde, auch monographische Ausstellungen sind rar. 2008 erinnerten das Kirchner-Museum in Davos und das Hamburger Ernst-Barlach-Haus an den Künstler; eine Ausstellung, die sich aus dem sonst in Kanada verwahrten Nachlass speist, zeigt nun die Galerie Döbele Kunst in Mannheim.

„Magischer Realismus“

Die Schau ist mit 27 Exponaten zwar eher klein, aber dennoch fein. Denn sie macht an exemplarischen Arbeiten deutlich, wie sich Gramatté nach dem Ersten Weltkrieg durch das Labyrinth moderner Themen und „Ismen“ bewegt. 1918 und 1919 entstehen Radierungen wie „Der große Irre mit der Fahne“ oder „Die schwarze Sonne“, Blätter, die das Trauma des Krieges ins Apokalyptische übersetzen, indem sie, auf stilistischer Ebene, die menschliche Gestalt grotesk verzerren oder die Welt in kubo-futuristisches Zerstückelungs-Chaos stürzen. In diesen Druckgrafiken steht Gramatté Ludwig Meidner und dem frühen Lyonel Feininger nahe. Ein paar Jahre später, in den 1920er-Jahren, hat sich Gramattés Stil deutlich beruhigt: Da malt er vorzugsweise seine bubiköpfige Frau Sonia in einer Manier, die sich vielleicht am besten als „magischer Realismus“ definieren lässt.

Interesse an Angst und Psychose

Das eigentlich Charakteristische dieses Malers offenbart sich im Inhaltlichen. Es ist Gramattés auffällig gesteigertes Interesse an Angst und Psychose, an existenzieller Verunsicherung. Nicht von ungefähr illustrierte er mit Georg Büchners „Lenz“ und Gogols „Mantel“ zwei Erzählungen, deren Protagonisten, geistig zerrüttet, völlig aus der Bahn bürgerlichen Daseins geworfen werden. Dieser Sensibilität gegenüber Seelenzuständen verdanken sich wohl auch die zahlreichen Selbstporträts des Künstlers: Stets frontal tritt uns Gramatté darin entgegen. Schmalschultrig, mit großem Kopf, geweiteten Augen und leicht wirrem Schopf wirkt er zart, ein Empfindsamer, der vielleicht ahnte, dass er unvollendet bleiben würde.


Info

Walter Gramatté (1897-1929) – bis 28.4., Mannheim, Galerie Döbele Kunst, Leibnizstraße 26, geöffnet: Do, Fr 14-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr; Info: www.doebele-kunst.de.

Nervös schraffiert: „Selbst vor gelbem Treppenhaus“, Aquarell und Tusche, 1920.
Nervös schraffiert: »Selbst vor gelbem Treppenhaus«, Aquarell und Tusche, 1920.
Beruhigter Stil: „Mädchen am Tisch“, 1922.
Beruhigter Stil: »Mädchen am Tisch«, 1922.
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