Rheinpfalz Tierische Kunst: Werke von Schwein "Pigcasso" weltweit gefragt

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Schweinekram: Pigcasso beim Malen in ihrem Atelier auf einem südafrikanischen Gnadenhof. Die Werke der Schweinedame sind weltweit gefragt, ihr Stil wird mal als Abstrakter Impressionismus, mal als Expressionismus beschrieben. Einen gewissen künstlerischen Lebenswandel pflegt sie auch: Sie malt morgens und abends, dazwischen ruht sie bis zu acht Stunden.

Pigcasso ist ein Schwein, das malt. Ein leibhaftiges Borstenvieh, das in Südafrika lebt und dessen Werke weltweit beliebt sind. Vor allem in Deutschland. Doch hat das mit Kreativität zu tun?

Diese Künstlerin benimmt sich wie ein – pardon – Schwein. Wenn sie den Pinsel in die Farbschale taucht und dann schwungvoll zur Staffelei führt, spritzt und spratzt es, auf den Boden, an die Wände, auf den Körper. Wenn sie malt, kleckst und schliert es immerzu. Und wenn sie schließlich zufrieden den Pinsel fallen lässt, mit einem Abdruck der verschmierten Nase ihr Werk signiert und sich trollt, bleibt buntes Durcheinander zurück. Diese Künstlerin benimmt sich gar nicht wie ein – pardon – Schwein. Wenn sie das Malgerät führt, ist sie versunken und voller Hingabe. Wenn sie die Acrylfarben wählt, wirkt es, als tue sie es mit Bedacht. Strichführung, Farbgebung folgen scheinbar einem inneren Impuls. So als wäge die junge Dame mit den rosigen Rundungen, was sie auf die Leinwand zu bringen gedenke. Keine Frage: Pigcasso ist ein besonderes Borstenvieh.

2000 Euro für einen echten Pigcasso

Der Name ist ein Wortspiel, eine Kombination des spanischen Malers Picasso mit dem englischen „pig“ für „Schwein“ – und im Deutschen leider bar jeder Ironie. Gleichwohl ist es treffend, zumindest als Umschreibung einer Mensch und Tier verbindenden Begeisterung für die Malerei. Denn wie soll man es sonst nennen, was die zweieinhalbjährige Schweinedame mit ihren 250 Kilo Lebendgewicht da tut. „Sie wollen bestimmt nicht, dass sie Ihnen auf dem Fuß steht“, sagt Joanne Lefson, Halterin und sozusagen Entdeckerin des Naturtalents, dessen Gemälde bei Fans in aller Welt Preise von bis zu 2000 Euro erzielen. Vor allem hierzulande ist die Nachfrage nach rüsselsignierten Pigcassos groß. Als „abstrakten Impressionismus“ bezeichnet Joanne Lefson Pigcassos Malstil, es gab bereits Ausstellungen der reisenden „Oink Gallery“ (sic!) in Kapstadt, auf dem Tourplan stehen London, Paris, Amsterdam – und Berlin, im kommenden April. Welch kometenhafter Aufstieg für ein Haustier, das fast auf dem Teller gelandet wäre.

Schweine sind bekanntlich schlaue Tiere

Pigcasso war erst wenige Wochen alt, da bewahrte Joanne Lefson das Ferkel vor dem traurigen Ende in einem südafrikanischen Schlachthaus und nahm es mit auf ihren Gnadenhof in Franschhoek westlich von Kapstadt. Und weil Schweine bekanntlich schlaue Tiere sind, die Beschäftigung brauchen, stellte sie dem Ferkel allerlei Spielzeug bereit, auch Pinsel. „Das waren die einzigen Gegenstände, die sie nicht gleich gefressen hat“, erinnert sich die Tierschützerin. Erst Pinsel, dann Farbe, dann Leinwand, der Weg war nicht weit. Und immer, wenn Pigcasso gemalt hatte, bekam sie feines Fresschen zur Belohnung. Ihrem Drang, sich gestalterisch auszudrücken, dürfte dies nicht abträglich gewesen sein. Mag sich der Laie auch wundern, der Experte tut es nicht. „Wenn wir uns fragen: ,Können Tiere kreativ sein?’, so lautet die Antwort ganz eindeutig: ja“, sagt Norbert Sachser, Professor für Zoologie an der Uni Münster. „Das älteste, seit den 1950er-Jahren uns bekannte Beispiel sind die Japanmakaken, die Süßkartoffeln vor dem Verzehr in warmem Wasser waschen. Das hat einer von ihnen irgendwann mal entdeckt und die anderen haben es sukzessive nachgemacht. Vermutlich, weil die Kartoffeln dann besser schmecken.“ Viele Beispiele würden zeigen: „Innovation ist in der Tierwelt möglich“, sagt der Verhaltensbiologe. Bei einem malenden Schwein stellten sich nun aber einige Fragen: „Wie kam es dazu? Wurde es angeleitet? Wurde sein möglicherweise spontan aufgetretenes Verhalten positiv verstärkt? Wie Zirkustiere zeigen, können Tiere sehr viel – sofern sie entsprechend konditioniert wurden.“

Schweine als Künstler - nicht als Stück Fleisch

Es ist also das eine, ob ein Tier mit Situationen und Aufgaben auf eine immer neue und unvorhergesehene Weise umzugehen vermag – und eventuell dafür gar belohnt wird –, oder ob es tatsächlich aus sich heraus eine schöpferische Kraft im engeren Sinne entwickeln kann. „Ich bezweifle nicht, dass das Schwein Spaß am Malen hat. Als Möglichkeit zur Beschäftigung kann das durchaus sinnvoll sein. Aber stellt es sich hin vor die Leinwand und denkt dann: Ich male jetzt ein Bild und das soll womöglich noch so und so aussehen? Das ist doch sehr unwahrscheinlich. Doch um Genaueres sagen zu können, müsste man das Ganze wissenschaftlich überprüfen“, sagt Sachser: „Ob man aus den Gemälden schließen kann, dass das Schwein ein ästhetisches Empfinden hat, würde ich doch stark bezweifeln.“ Kreativität hin oder her, Joanne Lefson geht es um etwas anderes: „Wenn wir ein Schwein als einzigartigen Künstler sehen und nicht als ein Stück Fleisch, überdenken wir vielleicht unsere Einstellung diesen Tieren gegenüber – und treffen im Supermarkt möglicherweise eine bessere Wahl.“

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