Pirmasens Schafft den Narren fort

Der wiederholt begeisterte Szenenapplaus war wohl mehr als ein Indiz dafür, dass die Berliner Shakespeare Company bei ihrem allerersten Gastspiel auf der Dahner Burg am Sonntagabend mit ihrer Interpretation von Shakespeares „Was ihr wollt“ den Ton des Autors und den Nerv des Publikums getroffen hatte. Die ausverkaufte Aufführung dürfte dazu ermutigen, das Ensemble erneut einzuladen.

Shakespeare, wenn es ihn denn als historisch reale Einzelperson tatsächlich gegeben hat, wusste, was sein Publikum wollte: Liebe, Sex, Gewalt, deftige Sprüche, Verwirrung, Tempo, Drama und Intrigen. Mach“ es interessant, dann gehen wir mit, wenn nicht, werfen wir mit Nüssen nach den Schauspielern und veranstalten im Parkett eine Grillparty. Das Publikum auf den billigen Plätzen hatte einen robusten Humor, Shakespeare nicht minder. Elisabethanischer Pomp hin oder her, das London vor den Türen des ersten Globe Theatres war eine stinkende Kloake und man ließ Hunde gegen Bären kämpfen und wettete auf den Sieger. „Was ihr wollt“, als „Twelfth Night, or What You Will“ ungefähr um 1600 in London uraufgeführt, war eine der letzten schrillen Komödien Shakespeares, bevor der zum schwergewichtigen Tragödien-Dichter wurde. Regisseur Alexander Flache hat seinen sechs Schauspieler, die in mehr als ein Dutzend Rollen zu schlüpfen haben, zu einem geradezu höllischen Tempo angetrieben. Und das bei einer Verwechslungskomödie, die selbst bei gemächlichem Tempo kaum zu entwirren ist - was ja Sinn der Sache ist. Mädchen sind als Männer verkleidet und niemand vermag zu sagen, warum das den Protagonisten im Stück nicht auffällt. Das gehört sich so und der Gag hat sogar eine weitere Ebene: Zu Shakespeares Zeiten gab es keine Schauspielerinnen. Also spielten Männer Mädchen, die als Männer verkleidet waren, jetzt sind es Mädchen, die Männer, die Mädchen… Ach egal: Man kann sich einfach besoffen sehen am Spiel von Elisabeth Milarch (Viola), Yvonne Johna (Olivia, Antonio, Valentin), Katharina Kwaschik (Marie, Feste, 1. Offizier), Erik Studte (Malvolio, Curio, 2. Offizier), Michael Günther (Tobias Von Rülp, Fischer) und Nico Selbach (Orsino, Andresa Von Bleichenwang, Sebastian). Sie berlinern, schwäbeln, reden Platt und deklamieren Shakespeare-Verse pur. Die Kraft von Shakespeares Theater hat das immer vertragen und sogar herausgefordert. Sie singen und spielen Akkordeon und das alles andere als nur ornamental. Richtig schön Dreistimmiges von schönen Stimmen darf man hören. Ganz allgemein: Die Sprechkultur ist exzellent und wie die Schauspieler mit den Freiluftbedingungen ohne jede elektro-akustische Unterstützung umgehen, ist schon beispielhaft. Noch schöner, wie sich die Shakespeare-Company von der herrlichen Kulisse der Dahner Burg inspirieren aber nicht überwältigen lässt. Die Truppe gewinnt sogar haushoch gegen die mächtige Kulisse. Kaum dass man Augen und Ohren von den Schauspielern wenden möchte. Ja nichts verpassen – und damit ist nicht mal die verknotete Geschichte gemeint. Einerlei, ob man den Überblick behalten hat oder nicht, es ist einfach herrlich diesen sechs Schauspielrinnen und Schauspielern zuzusehen wie es ihnen gelingt, noch die schrägste Type, die allerunwahrscheinlichste Wendung in der Geschichte wahr werden lassen. „Take away the fool“ sagt der Narr am Ende über Olivia, die, wie es in der Pfalz hieße, nicht mehr weiß, ob sie „Männchen oder Weibchen“ ist. Der Narr irrt: Diese Narren müssen wiederkommen.

x