Rheinland-Pfalz Erkenntnisse unter Helm und Weste

Die rheinland-pfälzische Polizei wappnet sich: Ihre Beamten treten Gewalttätern mit einer Ausrüstung entgegen, die pro Mann etwa 5000 Euro kostet. Und bis zu 20 Kilogramm wiegen kann. Ein RHEINPFALZ-Redakteur hat sie gestern anprobiert – und sich schubsen, schlagen und treten lassen.

Mainz. Der Zwei-Meter-Polizist tritt mir zielsicher gegens Schienbein. Eigentlich macht Peter Landau so etwas nicht, schließlich ist er Chef bei der Mainzer Bereitschaftspolizei. Und obendrein ein umgänglicher Mensch. Eben hat er sich sogar hingekniet, um mir Schienbeinschoner umzuschnallen. Aber nun soll ich auch spüren, wofür die Dinger gut sind. Erste Erkenntnis: Sie halten wirklich einiges ab. Denn ich spüre nur leichte Stöße, und normalerweise würden seine Tritte schon richtig wehtun. 2014 sind 512 rheinland-pfälzische Polizisten durch „rechtswidrige Taten“ verletzt worden – 19 mehr als im Vorjahr, sagt Innenminister Roger Lewentz (SPD). Und er beteuert: „Das Land tut alles, um den Polizistinnen und Polizisten einen möglichst sicheren Dienst zu gewährleisten.“ Ungefähr 600.000 Euro würden alljährlich dafür ausgegeben. Wenn ein Bereitschaftspolizist sich Gewalttätern entgegenstellt, dann tritt er in einer Ausrüstung an, die pro Mann etwa 5000 Euro gekostet haben dürfte. Und die bis zu 20 Kilo wiegt. Immerhin: Wenn eine Hundertschaft zu einem Spiel zwischen FCK und KSC geschickt wird, dann ist von vornherein absehbar, worauf sich die Beamten einstellen müssen. Den Pariser Polizisten Ahmed Merabet hingegen haben die Kugeln der Terroristen im normalen Streifendienst getroffen. Und auch die gerade in Belgien festgenommenen Islamisten sollen Attacken auf Polizisten geplant haben. Innenminister Lewentz sagt: „Wenn Frankreich und Belgien im Fokus stehen, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass auch Deutschland im Fokus steht.“ Schon seit 2010 bekommen die Beamten Pistolen, in deren Magazinen mehr Patronen stecken als beim Vorgängermodell. Im Kofferraum jedes Streifenwagens liegt hinter einem Besen, den Absperrhütchen und der Kiste mit Drogentests auch eine Maschinenpistole. Und griffbereit ganz vorne steht eine unauffällige Stofftasche. Darin aufgerollt: eine etwa 140 mal 70 Zentimeter große „ballistische Decke“. Sie erinnert an eine dicke Schlafmatte, hält aber Kugeln ab. Und könnte Menschen vor einem Amokläufer schützen. Ich probiere jetzt Schutzwesten an, die gegen Schläge und Stiche panzern. Bereitschaftspolizisten sollten ihre komplette Montur in ein bis zwei Minuten anziehen können. Ich verheddere mich in den Bändern der Armschützer, brauche Hilfe von Beamten. Und der Helm knickt erst einmal meine Ohren um. Als alles endlich halbwegs sitzt, macht der Zwei-Meter-Polizist Landau, worauf er sich schon besonders gefreut hat. Er scheucht mich durch den Saal: Laufschritt! Weit komme ich nicht. Der Hüftgurt mit Pistole, Taschenlampe, Handschellen, Teleskopschlagstock und Pfefferspray will wegrutschen. Deswegen kann man weder ihm noch mir einen Vorwurf machen. Das Exemplar ist halt für einen stattlicheren Menschen gedacht. Warm wird mir trotz kurzer Laufstrecke. Und obwohl die Bereitschaftspolizei ihre Mainzer Aula nur maßvoll beheizt. Beamte müssen diese Ausstattung auch im Hochsommer tragen – nicht nur für ein paar Minuten, sondern auch mal zwölf Stunden am Stück. Zweite Erkenntnis: Schutz kostet nicht nur Geld, sondern auch Schweiß. Schwachstellen hat die Panzerung trotzdem. Wo die liegen, muss man nicht unbedingt in die Zeitung schreiben. Wobei sie die einschlägigen Schlägertruppen ohnehin kennen: „Rocker wissen genau, wohin sie zielen müssen“, sagt ein Polizist. Ein anderer lässt erkennen, dass die rheinland-pfälzische Polizei auch für diese Stelle ein schützendes Kleidungsstück bereithält. Das Teil liegt sogar auf dem Tisch. „Aber das ist so unbequem, das trägt niemand.“ Stattdessen experimentiert mancher mit privat angeschaffter Ausstattung. Ein ranghoher Beamter deutet an, dass auch amtlicherseits bessere Lösungen gesucht werden. Der Innenminister verkündet derweil ganz offiziell, dass ab 1. April ein anderer neuer Ausrüstungsgegenstand getestet wird: Mainzer und Koblenzer Beamte werden von da an kleine Videokameras an ihren Uniformen haben. Das soll Angreifer abschrecken. Der Zwei-Meter-Polizist Landau wünscht sich und seinen Untergebenen derweil vor allem eins: Dass ihre Ausstattung dank neuer Materialen noch ein bisschen leichter wird. Perfekten Schutz, sagt er, wird es ohnehin nie geben. Denn komplett gepanzerte Polizisten wären unbeweglich. Wie es sich mit dem „Suspensorium“ läuft, will ich gar nicht erst herausfinden. Das unter dem Overall zu tragende Panzer-Höschen schützt die Genitalien vor Schlägen. Ich greife lieber zum Plexiglas-Schild. Der Zwei-Meter-Polizist wirft sich schon dagegen, ehe ich das Teil richtig in der Hand habe. Und noch einmal. Und noch einmal. Wieder und wieder rumst der Schild gegen mein Helmvisier. Schritt um Schritt torkele ich zurück, bis Landau seine Attacken einstellt. Letzte Erkenntnis: Die beste Ausrüstung bringt nicht viel, wenn man nicht mit ihr umgehen kann.

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