Rheinpfalz Blaues LED-Licht ist überall - und nicht gut für die Augen

Blaue Iris eines Auges.

Computer, Handy, Lampe – blaues Kunstlicht aus LEDs begleitet uns inzwischen den ganzen Tag über. Die energiereichen Wellenlängen tun dem Auge auf Dauer nicht gut, warnen Forscher. Aber man kann sich schützen. Von Christian Gruber

LED-Lampen könnten für die Augen giftig sein, titelte Ende Januar die Wissenschaftliche Abteilung der französischen Botschaft in Deutschland – ausgerechnet LEDs, wo doch vor einiger Zeit die sparsamen Leuchtdioden in der Europäischen Union die verschwenderischen Glühbirnen ersetzt haben. Ein Team des staatlichen Gesundheitsforschungsinstituts Inserm hatte Ratten verschiedenen Leuchtmitteln ausgesetzt und war im Fachblatt „Neuroscience“ zu dem Ergebnis gekommen: Bei extrem hoher Intensität von 6000 Lux schaden sowohl Glühbirne als auch Leuchtstoffröhre und LED-Lampe den Augen der Nager. Bei 500 Lux, normaler Zimmerlichtstärke dagegen, nur die LEDs. Das blaue Licht in den Leuchtdioden, das mit Gelb vermischt wird, um Weiß zu erzeugen, löste Entzündungsprozesse in der Macula aus – dem hinteren, zentralen Bereich der Netzhaut, durch den die Sehachse verläuft. Hier sitzen die farbempfindlichen Sinneszellen am dichtesten. Es kam im Rattenauge zum Zelltod, der Apoptose. Allerdings leuchteten die Forscher den Tieren 24 Stunden in die Augen. Darüber hinaus sind Ratten nacht- und dämmerungsaktiv mit wenigen Farbsinneszellen und nur einem Zapfentyp – anders als der Mensch mit seinen drei Sensoren für Blau, Grün und Rot. Insofern können die französischen Ergebnisse für sich allein genommen nicht als harter Beweis dafür gelten, dass LEDs die Augen zerstören. Und alle Studien, die in Richtung einer Schädigung der Netzhaut, der Retina, deuten, wurden im Tierversuch oder mit Zellkulturen gewonnen, sodass es „bisher keine gesicherten Erkenntnisse“ gebe, was blaues LED-Licht im lebenden menschlichen Auge anrichtet, heißt es in einer Zusammenstellung der Hochschule Jena. Aber, gibt der Augenmediziner Peter Heilig von der Universität Wien zu bedenken: „Gleichgültig aus welcher Lichtquelle die Überdosis an kurzwelligem Licht in die Netzhaut strahlt – die Dosis macht das Gift.“ Und unser Lebensstil tendiert dazu, es mit den LEDs zu übertreiben. Blaues Kunstlicht prasselt mittlerweile von überallher auf uns ein: aus Lampen, Auto- und Fahrradscheinwerfern und vor allem aus großen und kleinen Bildschirmen. Unser Alltag spielt sich größtenteils in beleuchteten Innenräumen ab. Daten des Statistischen Bundesamts zufolge benutzen 84 Prozent der Deutschen täglich einen Computer, ein Tablet oder ein Smartphone. Für den Wiener Professor Heilig ist das energiereiche LED-Licht ein Unding, zumal es beim Sehen wenig bringt: „Blau-empfindliche Zapfen fehlen in unserer Netzhautmittte. Blaues Licht blendet stärker, lenkt mehr ab, sein Brennpunkt liegt weit vor der Netzhautebene. Es leistet keinen nennenswerten Beitrag für das zentrale Sehen und das Kontrastsehen. Die hohe Energie der kurzwelligen Strahlung ist daher im Extremfall auf die Dauer phototoxisch, das heißt: Sie kann den Sehzellen im wichtigsten Quadratviertelmillimeter – der Macula – das Licht ausblasen.“ Die Folge ist eine Maculadegeneration, für die allerdings kurzwelliges Licht nicht der einzige Risikofaktor ist, sondern darüber hinaus beispielsweise auch Bluthochdruck oder Rauchen. Draußen in der Natur unterdrückt Licht im Wellenlängenbereich zwischen 380 und 600 Nanometern die Herstellung des Schlafhormons Melatonin in der Zirbeldrüse. Das hält uns aktiv und leistungsfähig. Den größten Effekt auf diese biologische Uhr hat blaues Licht um die 490 Nanometer, sodass eine tageslichtweiße LED mit 6000 Kelvin uns deutlich wacher und konzentrierter macht als eine warmweiße LED mit 3000 Kelvin. Was tagsüber gewünscht ist, das wird nach Einbruch der Dunkelheit zum Problem: Wer sich nachts in taghell erleuchteten Räumen aufhält, beispielsweise weil er Schicht arbeitet, oder wer vor dem Zu-Bett-Gehen stundenlang auf das Display starrt, der bringt seinen Schlafrhythmus durcheinander, den bis zur Elektrifizierung der Welt die Sonne steuerte. Nachtschichtler haben darüber hinaus vermutlich ein erhöhtes Krebsrisiko. Das belegen verschiedene Studien aus den vergangenen Jahren. Hinzu kommt: Bei älteren Menschen findet sich in der RPE-Schicht der Netzhaut – ein Lichtfilter, der die Retina von der Aderhaut abgrenzt – sehr viel A2E, eine giftige Unterform des Vitamins A, die sich als gelblich-weiße Ablagerung im Augenhintergrund bemerkbar macht. Einigen Untersuchungen zufolge sind diese mit A2E angereicherten Zellen besonders empfindlich gegenüber blauen LEDs. Auch die altersabhängige Maculadegeneration wurde damit in Zusammenhang gebracht. Der zerstörerische Effekt des energiereichen Lichts – zu dem auch die für uns unsichtbare ultraviolette Strahlung zählt, die LEDs aber kaum freisetzen – war Studien zufolge am größten bei einer Wellenlänge von 440 Nanometern. Experten wie der Wiener Universitätsmediziner Peter Heilig halten deshalb zu Licht-Hygiene an: „Sie würde bewirken, dass die immer häufigere Maculadegeneration trotz steigender Lebenserwartung möglicherweise viel später auftritt oder gar nicht mehr erlebt wird“, ist der Forscher überzeugt. So lassen sich zum Beispiel Handy-Displays hin zu warmen, angenehmen Wellenlängen verstellen – vor allem abends ist das wichtig. Auch die Blautöne von Computerbildschirmen kann man herunterregeln. Nebeneffekt: Man sieht schärfer. Es gibt zudem Bildschirmbrillen, die energiereiche Wellenlängen herausholen. „Durch die Weiterentwicklung der LEDs und der Organischen Leuchtdioden wird das Lichtspektrum immer natürlicher“, bestätigt Richard Funk, Leiter des Instituts für Anatomie an der Technischen Universität Dresden, und wie sein Wiener Professorenkollege Heilig seit Jahren ein Kritiker des blauen Kunstlichts. Er sehe das Ganze mittlerweile differenziert, meint Richard Funk: „Man muss nur darauf achten, dass man LEDs mit hoher Qualität und möglichst natürlichem Spektrum verwendet.“ Zu dieser Einschätzung kommt auch das Schweizer Bundesamt für Gesundheit. Die Berner Behörde hat eine Reihe handelsüblicher LEDs getestet und die Ergebnisse Ende 2016 veröffentlicht. Fazit: Die untersuchten Lampen „stellen bei sachkundiger Verwendung kein gesundheitliches Risiko“ dar. Das gelte genauso für besonders empfindliche Augen wie sie Kinder, Menschen mit heller Augenfarbe oder Senioren nach einer Grauen-Star-Operation haben. Ganz ohne ist der Umgang mit den Leuchtdioden aber nicht, wie das Bundesamt herausstreicht. So sollte der Abstand zwischen LED-Lampe und Kopf mindestens 20 Zentimeter betragen, vor allem am Schreibtisch. Für Räume, die mit Licht dauergeflutet werden, empfiehlt die Behörde glühlampen- oder röhrenförmige LEDs mit matter Oberfläche und Schraubgewinde. Wer Spots verwendet, sollte nicht länger direkt in sie hineinschauen. LED-Lampen der Risikokategorie 2 oder 3 gehören nach Meinung der Schweizer Tester überhaupt nicht in den privaten Bereich; in welche Kategorie eine Lampe eingestuft ist, steht auf der Verpackung. Im Schlafzimmer rät das Bundesamt zu warmweißen LEDs oder Energiesparlampen mit Farbtemperaturen von 3000 Kelvin; die Daten finden sich auf den Leuchten. Zudem können LEDs unmerklich flimmern, vor allem, wenn sie gedimmt werden – ein Risiko besonders für Epileptiker, Migränepatienten und Menschen, die anfällig für Kopfschmerzen sind. Solche Lampen tauscht man besser aus. Ob die Lampe flackert, lässt sich ganz einfach herausfinden, indem man die Handykamera aus kurzer Entfernung auf die LEDs scharf stellt. Zeigt das Display ein Bild mit Streifen, dann taugt die Lampe nichts.

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