Rheinpfalz Klatschen gehört zur Kernkompetenz

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Ein Rheinland-Pfalz-Tag ohne Festumzug ist undenkbar. Gestern schauten 80 000 Besucher zu, wie sich 2500 Teilnehmer durch Ramsteins Straßen wanden. Die Sonne brannte, die Temperatur erreichte knapp 30 Grad. Für die offiziellen Gäste hieß es: sitzen und schwitzen oder stehen und klatschen. Meist war es eine Mischung aus beidem. Beobachtungen von der Ehrentribüne.

Ramstein-Miesenbach. „Seid ihr freiwillig da oder eingesperrt?“, ruft ein als französischer Polizist verkleideter Mann den geladenen Gästen entgegen. Die quittieren es mit einem Lachen. Der Polizist eröffnet den Zug und wirbt für Neuwied, den Gastgeber des Landesfests von 2014. Die Gemeinde bezeichnet sich als „Stadt der Märkte“. Im Juli ist dort ein französischer Markt geplant, deshalb der französische Polizist. Den Zuschauern bleibt wenig Zeit, darüber nachzudenken. Der Zug geht schnell weiter. Derweil kommen die blauen RHEINPFALZ-Fächer zum Einsatz, die an die Gäste verteilt werden. Es ist brütend heiß, und das Wedeln verschafft zumindest eine kurzfristige Abkühlung. Die servierten Getränke helfen ebenfalls. Die meisten Gäste greifen zu Mineralwasser und Apfelschorle. Die Organisatoren haben für die Besucher schwarze Käppis gerichtet mit dem Aufdruck „Rheinland-Pfalz“. Früher oder später setzt sich ein Großteil der Ehrengäste die Mützen auf. Auf der Tribüne sind offenbar viele Zuschauer mit Umzugs-Erfahrung. Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer (CDU) hat ebenso an einen Hut gedacht wie ihre Parteikollegin und Landtagsabgeordnete Marlies Kohnle-Gros. Der Grüne Bernhard Braun aus Ludwigshafen bedeckt seine langen grauen Haare mit einer hellen Mütze. Die Sonne macht keine Unterschiede. Kabinett und Opposition brutzeln genauso vor sich hin wie die Vertreter der Feuerwehr oder von ausländischen Streitkräften. Eitelkeit spielt irgendwann nur noch eine untergeordnete Rolle. Fast alle Männer legen ihre Krawatten ab und krempeln die Ärmel hoch. Eine Ausnahme bilden Ramsteins Bürgermeister Klaus Layes (CDU) und die Soldaten. Die Frauen sind luftiger gekleidet. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) trägt ein leichtes Sommerkleid. Rote Farben dominieren es. Später zieht sie nahezu unbemerkt die Schuhe aus und winkt den Zugteilnehmern barfuß zu. Oppositions-Chefin Julia Klöckner trägt ebenfalls ein Sommerkleid – bei ihr dominieren Blau-Töne. Am Kleid von Wirtschaftsministerin Eveline Lemke herrscht passenderweise die Farbe ihrer Partei vor: grün. Über 100 Zugnummern passieren die Ehrentribüne. Viele halten an, und Repräsentanten übergeben der Ministerpräsidentin Geschenke. Meist sind es regionale Produkte aus der Heimat der Zugteilnehmer. Die politisch Verantwortlichen kommen immer dann nach vorne neben die Ministerpräsidentin, wenn Zugnummern aus ihrer Region oder ihrem Zuständigkeitsbereich vorbeiziehen. Die Generäle treten vor, wenn die Militärkapellen anmarschieren. Dann kommt Leben in die Ehrengäste. Der zackige Rhythmus der Militärmusiker reißt sie von den klebrigen blauen Plastikstühlen nach oben, und es wird geklatscht, was das Zeug hält. Meist sogar im Takt der Musik. Malu Dreyer nutzt eine kleine Pause zwischen zwei Nummern, um sich einzucremen. Die Sonnencreme ist noch nicht eingezogen, da kommt schon der nächste Beitrag, der beklatscht werden will. Klatschen zählt zweifelsohne zur Kernkompetenz von Ehrengästen. Sie beherrschen das meisterhaft. Auch singen können sie einigermaßen. Sie stimmen zumindest beherzt ein, als der Karnevalverein Kaiserslautern von seinem Festwagen „Auf ihr Brieder in die Palz“ anstimmt. Vertreter der ausländischen Streitkräfte machen derweil Selfies – Erinnerungen an Deutschland. Einer der Gäste scherzt, er habe fast das Gefühl, man lebe nicht in einer Demokratie, sondern in einer Monarchie – angesichts der vielen Weinköniginnen und -Prinzessinnen, die huldvoll winken und vorbeifahren. Viele tragen beim Umzug Krönchen, aber nur eine sieht aus wie die Queen: Bildungsministerin Vera Reiß. Die SPD-Politikerin hat sich für ein hellgrünes Kleid mit dazu passendem Hut entschieden – damit würde sie auch beim Pferderennen im britischen Ascot Stil beweisen. Auf der Ehrentribüne ist der Dress ein Hingucker. Die meiste Aufmerksamkeit bekommen die Turner aus Pirmasens. Der Zug stockt eine Viertelstunde, die Sportler nutzen die Zeit vor der Tribüne, um zu zeigen, was sie alles können. Der Auftritt ist die beste Werbung für das Turnfest, das für 2016 in Pirmasens geplant ist. Ganz zum Schluss des Festzugs macht die Stadt Alzey den Ehrengästen ihre Aufwartung. Die Gemeinde ist kommendes Jahr Gastgeber des Landesfests. Auch dort wird es einen Festumzug geben und eine Ehrentribüne. Wenn das Wetter mitspielt, heißt es dann wieder: Sitzen und schwitzen – oder stehen und klatschen.

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