Donnersbergkreis Kirchheimbolanden: „Femeg“ wird 50

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Heute beschäftigt Bernd Hofmanns Firmengruppe 650 Mitarbeiter. Aber das soll's für den 73-jährigen Mittelständler noch nicht gewesen sein.

Hollywood wird gern das Attribut „Traumfabrik“ angeheftet: eine gigantische Maschinerie, die für Stunden Illusionen auf die Leinwand zaubert. Nimmt Bernd Hofmann das Wort in den Mund, denkt er an Gommern. Gommern in Sachsen-Anhalt. Einen Ort bei Magdeburg, von dem die meisten nie gehört haben. Dort erschafft der 73-jährige Femeg-Chef gerade seine Traumfabrik. Doch statt flüchtigen Träumen werden hier nachhaltig feinmechanische Teile produziert. Es ist, sozusagen, Femeg 2: mit hochmodernster Technik wie vernetzten Produktionsanlagen und vollautomatisierten Transferstraßen für den Materialfluss. Hofmann kann sich an solcher Perfektion begeistern. Erreicht wird sie, weil die Fertigung in einer 15.000 Quadratmeter großen Halle konzentriert ist. Und weil er 25 Millionen Euro in den Maschinenpark investiert hat. Wie immer in seinem Leben, hatte der Mittelständler nicht lange gefackelt, als sich ein namhaftes Unternehmen 2014 von der Lader-Entwicklung in Gommern und damit einem nagelneuen Anwesen mit 40.000 Quadratmetern Gelände trennen wollte. Nun stehen dort 56 Mitarbeiter in Lohn und Brot, produzierten 2016 im Drei-Schicht-Betrieb bereits eine Million Teile für Turbolader. Im Kirchheimbolander Stammwerk war bereits 1991 in zunächst kleinen Stückzahlen die Teilefertigung für Lader aufgenommen worden – mit KKK, später Borg Warner als wichtigstem Kunden. Mit 3,5 Millionen Stück für diverse Hersteller sind Turbolader-Komponenten heute das wichtigste Standbein von Femeg. Auswirkungen auf das Kirchheimbolander Werk mit derzeit 145 Mitarbeitern werde der Standort Gommern nicht haben, versichert Bernd Hofmann auf Nachfrage, der Platz auf dem Firmengelände im Industriegebiet Morschheimer Straße sei einfach ausgereizt gewesen. Denn Femeg: Das ist die Geschichte eines nahezu ungebremsten Wachstums. Und eines Chefs, der das so zielstrebig wie ungeduldig vorantreibt. So war’s von Beginn an, als der 24-Jährige, der bei Siemens und Zeiss Icon in Berlin gelernt hatte und sich später noch an der Fachschule für Maschinenbau in Kaiserslautern weiterbildete, der väterlichen Werkstatt den Rücken kehrte und am 1. April 1967 in einer Scheune an der Marnheimer Straße seinen Ein-Mann-Betrieb etablierte. Mit einer Eröffnungsbilanz von 1.050 DM. Hofmann rotierte für Aufträge in der Region, nahm hier Arbeiten für Autowerkstätten, da Reparaturen von Pumpen, Fertigung von Sonderarmaturen an... Bereits ein gutes halbes Jahr später bot sich dann die wegweisende Chance: die Kirchheimbolander Firma Keppler Wasserzähler zu übernehmen, deren Besitzer aus Altersgründen aufgab. Nur: wovon bezahlen? Volksbank-Chef Binder vertraute dem Start-up-Unternehmer mit einem Kredit unter der Bedingung, dass der junge Mann regelmäßig seine Umsatzzahlen vorweist. Das dürfte schnell überflüssig geworden sein, denn das Geschäft mit den Wasserzählern – Herstellung, Kontrolle, Reparatur, das turnusgemäße Eichen – lief rasant. Industrie wie Kommunen wurden Partner, Wasserkontrollgeräte made in Kirchheimbolanden zum Exportartikel. Bereits Anfang 1970 konnte der Unternehmer einen Neubau von 400 Quadratmetern in der Morschheimer Straße beziehen. Heute sind dort 10.000 Quadratmeter bebaut. Zehn Jahre später hatte sich das Portfolio um weitere Produkte und große Kunden aufgefächert, die zum Beispiel Armaturen für Industrieanlagen bestellten: Der mittelständische Betrieb konnte stets flexibel und hochpräzise auf Aufträge reagieren. Doch Hofmann war klar, dass sich dieser Wachstumskurs auf Dauer nur mit einer weitgehend automatisierten Produktion halten ließ. Ernüchterung freilich folgte auf dem Fuße: Als er 1980 die ersten fünf CNC-Maschinen ordern wollte, stellte sich heraus, dass deutsche Hersteller zwei Jahre bis zur Auslieferung benötigen würden. Also flog er kurzerhand nach Japan und kaufte dort ein: Schon damals hatte sich bei Bernd Hofmann „Traumfabrik“-Feeling eingestellt. Und selbst Große der Branche kamen nun nach Kirchheimbolanden, um sich beim Mittelständler computergesteuerte Fertigung abzugucken, der risikobereit die Nase vorn hatte und gute hauseigene Programmierer dazu. Mit dem Erwerb der Wutal Aluminiumguss GmbH im Schwarzwald-Ort Stühlingen verbreiterte Hofmann die Basis seiner Fertigung, die sich vor allem aus dem Wunsch der Turbo-Hersteller nach kompletten Teilen und Baugruppen ergab. 1998 hatte Wutal etwa 60, heute 195 Mitarbeiter, die auf einer ums Siebenfache vergrößerten Produktionsfläche arbeiten. 2009 schließlich etablierte er im „Weißen Haus“ auf seinem Kirchheimbolander Firmengelände „Pollux“ als Spezialist für Entwicklung, Projektierung und Aufbau von präzisen Testsystemen sowie Mess- und Regeltechnik. Erneut ein Senkrechtstart: von fünf auf 35 Experten. In Kirchheimbolanden und Gommern betreibt Pollux mittlerweile Testcenter mit fünf Heißgasprüfständen für Turbolader und einen dynamischen Motorprüfstand. Die deutsche Wiedervereinigung hatte aber auch dem Thema Wasserzähler neue Schubkraft verliehen. 1993 bewies der Femeg-Chef mit dem Kauf einer kleinen Wasserzähler-Instandsetzung aus einem in Magdeburg zerschlagenen Kombinat Weitsicht. Aus anfangs fünf Mitarbeitern wurden bis heute 160, aus der einstigen Werkstatt eine neue Halle mit 4500 Quadratmetern für die „Magdeburger Gas- und Wasserzähler GmbH“. Seit 2003 die Stadtwerke als weiterer Partner einstiegen, firmiert das Unternehmen als Enermess GmbH. 125 Servicefahrzeuge sind mittlerweile zu Kunden unterwegs: Für Hofmann Beispiel für gelungene, weil faire Zusammenarbeit zwischen West und Ost. Bundesweit verstärktes Outsourcing von Stadtwerke-Dienstleistungen auf den Gebieten Gas, Wasser und Elektro bewirkte jedoch auch in Kirchheimbolanden 2014 die Gründung einer neuen Firma: „Enwas“ mit derzeit 50 Mitarbeitern und 40 Servicefahrzeugen. Für die nähere Zukunft ist eine Verdopplung der Mitarbeiterzahl und Vergrößerung des Einzugsgebiets im Westen und Südwesten geplant; ein Erweiterungsgelände in Kirchheimbolanden ist bereits für Lager, Fuhrpark und Instandhaltungswerkstatt anvisiert. Über viele Jahre schätzte Bernd Hofmann die flachsten Führungs-Hierarchien, die sich in der Wirtschaft denken lassen: Er selbst war fast alles in einer Person. Um so dankbarer verweist er auf das engagierte Mitziehen der neu gewonnenen Partner vor Ort. Nur so sei die überaus erfolgreiche Entwicklung der Gruppe mit heute etwa 650 qualifizierten Mitarbeitern, einer bebauten Fläche von 55.000 Quadratmetern und einem Netto-Umsatz von 85 Millionen Euro im Jahr 2016 möglich geworden. Mittlerweile haben alle eigenständig tätigen Unternehmen Geschäftsführer – eine Erleichterung. Bernd Hofmann freilich blieb einer jener „Männer mit der richtigen Straßenlage“, die Paul Kaps, damals stellvertretender Chefredakteur der RHEINPFALZ, vor über 30 Jahren in seinem Buch über risikofreudige Pfälzer Unternehmer porträtierte. Kürzer treten zugunsten von Familie und Gesundheit, so liest man verblüfft nach, wollte er schon damals. Stattdessen schrubbt der Herr der Firmen bis heute enorme Kilometerzahlen auf deutschen Autobahnen herunter. Nicht immer mit der Oberklasse-Limousine, sondern notfalls auch mit dem Sprinter, wenn Material 500 Kilometer weit nach Gommern zu bringen ist... Er brauche halt noch etwas Beschäftigung, arbeite aber auch auf seine Pensionierung hin, wird er den Gästen auf der Jubiläumsfeier übermorgen in der Stadthalle andeuten. Doch wenn Bernd Hofmann zugleich versichert, die Femeg-Gruppe werde weiter wachsen, sei bereit für alles, was auf sie zukomme, ahnt man, dass der 73-Jährige seinem beeindruckenden Lebenswerk, das nun doch wieder an einen amerikanischen Traum erinnert, so schnell noch nicht den Rücken kehren wird. Er fühlt sich viel zu wohl in viel Arbeit.

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