Rheinpfalz „Jogi“ und die Nibelungen

Er war am Freitagabend der unangefochtene Star bei der Premiere der Festspiele in Worms: Bundestrainer Joachim Löw. Fußball hat viel mit Theater zu tun. Politik auch. Von Rolf Gauweiler

König Fußball hat am Freitag die Theaterbühne erobert. Herrschender Monarch zum Start der Nibelungen-Festspiele in Worms war nicht der schlappe Burgunderregent Gunther, sondern Joachim Löw, der Siegfried der deutschen Fußball-Fans. Die Nachricht, dass der Bundestrainer Premierengast sein würde, hatte sich wie ein Lauffeuer in der Nibelungenstadt verbreitet. Die Stephansgasse vor dem Heylshofpark, eines der schönsten Theaterfoyers Deutschlands, war von Menschentrauben schwarz. Präziser: schwarz-rot-gold. Denn viele Zaungäste hatten die Schminke, die sie neun Tage zuvor nach dem Frankreich-Spiel traurig im Badezimmerschränkchen verstaut hatten, wieder hervorgekramt und harrten derart bemalt ihres Recken. Als Löw um 19.40 Uhr unter spitzen „Jogi-Jogi“-Rufen den roten Teppich betritt, trägt er keinen Hermelin, sondern seine übliche Berufskleidung: schwarzer Pulli mit V-Ausschnitt, grauer Anzug, grauer Schal, keine Krawatte. Er nimmt sich Zeit, seinen Namenszug auf Deutschland-Trikots und Programmhefte zu kritzeln. Weil nun aber die Zeit drängt, müssen sich die am Fuße der Treppe lauernden Journalisten mit einem Händedruck und einem „Später. Lassen Sie mich erst ankommen“ begnügen. Spricht’s und eilt so rasch davon, dass im Dienst ergraute Reporter, die ihm zu folgen versuchen, ihre Adduktoren spüren wie der alte Schweinsteiger. Löw verschwindet in der reservierten Lounge, nippt an einem Cocktail, und der einzige, der zu ihm vorgelassen wird, ist ein Knirps mit großen Augen, der sprachlos vor Glück ein Autogramm abholen darf. Fußball hat eben viel mit Theater zu tun, glaubt der Mainz-05-Präsident Harald Strutz, der die Szene beobachtet. „Profifußballer leisten ähnlich viel wie Schauspieler, die Anspannung ist hoch“, sinniert er und lobt „die Sensibilität meiner Spieler“, die der von Mimen vergleichbar sei. „Ich liebe Theater“, verrät der Nibelungen-Stammgast, vor allem dieses „großartige Event für Worms“. Das sehen Schauspiel-Profis ganz genauso. Marie-Luise Marjan gerät ins Schwärmen. „Das ganze Ambiente ist einmalig in Deutschland, dieser Dom atmet Geschichte, und diese reizenden Wormser – sie klatschen so gerne und freuen sich.“ Macht es ihr eigentlich nichts aus, mit Rufen wie „Ach, da ist ja Mutter Beimer“ bedacht zu werden? Marjan schüttelt den Kopf. „Das ist Teil meines Lebens. Wenn ich mich entschließe, das zu tun, dann mit vollem Herzen.“ Im Übrigen habe sie über Jahrzehnte andere Rollen gespielt, auch auf der Bühne. Im Fernsehen und Theater zu agieren, seien zwei verschiedene Berufe, sagt sie und zieht einen Vergleich: Eine Fernsehrolle sei wie Stabhochsprung. Leistung auf den Punkt. Auf der Bühne zu stehen, sei hingegen wie Langstreckenlauf. Ausdauer und zähes Durchhalten seien da gefragt. Die Nibelungen-Festspiele bieten eine Bühne auch für die Langläufer der Politik. Sind an dem Ort, an dem sich die Power-Frauen Kriemhild und Brünhild in die Haare gerieten, auch Vergleiche mit rheinland-pfälzischer Landespolitik statthaft? Malu Dreyer und Julia Klöckner müssen auf diese etwas vorwitzige Bemerkung – unabhängig voneinander befragt – lachen. „Der Königinnenstreit ist Geschichte“, sagt die Ministerpräsidentin, die im kurzen schwarzen Kleid auf den roten Teppich tritt. „Heutzutage endet das alles demokratisch, und es ist ja auch kein Mann, um den wir uns streiten“, erwidert die Oppositionsführerin, die ein langes blaues Kleid gewählt hat. Beide freuen sich gegen Ende einer anstrengenden Woche auf diesen Abend. Es sei gut, „die Seele baumeln zu lassen“ (Klöckner); „wohltuend, dass man mal abschalten kann“ (Dreyer). Die Nibelungen-Festspiele seien „ Theaterereignis in Rheinland-Pfalz“, sagt Dreyer, sie freue sich auf jede neue Inszenierung. Und Klöckner erzählt, dass sie durch die unterschiedlichen Stile der Aufführungen „viel gelernt“ habe. Nicht zuletzt das: „Man muss sich selbst immer wieder erneuern.“ Das aber ist schon wieder eine andere Geschichte.

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