Rheinland-Pfalz „Dynamik hat mich überrascht“

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In der Flüchtlingspolitik ist landesweit ein Wettlauf zwischen CDU, SPD und Grünen und ausgebrochen, wer was am schnellsten fordert. Gleichzeitig sind Klagen der Kommunen laut geworden. Über die Hektik in der politischen Debatte und über Probleme bei der Aufnahme der Flüchtlinge sprachen wir mit der rheinland-pfälzischen Integrationsministerin Irene Alt (Grüne).

Sie waren zunächst gegen einen Flüchtlingsgipfel, den die CDU dann veranstaltete, wollen nun aber die Flüchtlingskonferenz vorbereiten, die Ministerpräsidentin Dreyer angekündigt hat. Sind Sie überrannt worden?Zunächst einmal: Ich bleibe bei meiner Linie, regelmäßige Gespräche mit allen Partnern zu führen, die ich in der Flüchtlingspolitik habe. Das sind die kommunalen Spitzenverbände, die Liga der freien Wohlfahrtsverbände oder die Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Diese Woche habe ich mit den Jugenddezernenten über das Thema Flüchtlingskinder gesprochen. Über die Dynamik, die die Diskussion seit Jahresbeginn bekommen hat, bin ich überrascht. Für mich ist es aber keine Frage, zusätzlich das Instrument des Pakts für Rheinland-Pfalz einzusetzen und eine Konferenz vorzubereiten. Es wurde deutlich, dass es nach wie vor viele Fragen gibt, insbesondere der Akteure, die an der Basis arbeiten. Sie räumen ein, dass es mehr Fragen gibt, als Sie beantwortet haben?Alle Fragen, die an mich gestellt werden, beantworte ich auch, sie müssen aber auch an mich gestellt werden. Nun sind Fragen aufgekommen, die ich vorher noch nicht gehört habe. Ich bin gerne bereit, ein Forum dafür einzuräumen. Es heißt, die Flüchtlinge sind heute willkommener als die, die vor 20 Jahren kamen. Sie selbst haben vor Ihrem Ministeramt ehrenamtlich mit Flüchtlingen gearbeitet. Wie erleben Sie es?Ich sehe im ganzen Land, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr positiv eingestellt sind. Sie empfangen die Menschen mit offenen Armen, sie sind bereit zu spenden. Die einen bieten Sprachkurse an, die anderen machen ein Café auf, die dritten kümmern sich um die Kinder. Was muss die Landesregierung tun, was die Kommunen, damit die Freundlichkeit so bleibt?Wir als Land nehmen noch einmal 200.000 Euro in die Hand für Informations- und Qualifikationsveranstaltungen für Ehrenamtliche. Auf unserer Internet-Seite werden wir häufig gestellte Fragen zusammenstellen. Wichtig ist es, dass sich die Akteure regional und kommunal zusammensetzen. Meine Empfehlung sind runde Tische mit Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und allen Initiativen vor Ort. Das kann nur regional und kommunal laufen, weil es überall anders ist.Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Baden-Württemberg zahle den Kommunen viel mehr als die 513 Euro pro Monat und Flüchtling in Rheinland-Pfalz? Das stimmt nicht. Nach unseren Informationen zahlt das Nachbarland einmalig 13.972 Euro. Wir gewähren die Zahlung bis zu drei Jahren, damit kommen wir auf 18.468 Euro. Was wird in den Erstaufnahmeeinrichtungen geleistet, bevor die Flüchtlinge danach in die Kommunen kommen? In den Einrichtungen werden Daten wie Alter und Staatsangehörigkeit aufgenommen und erste Angaben zum Asylverfahren gemacht. Es gibt eine Erstuntersuchung nach dem Infektionsschutzgesetz durch das Gesundheitsamt, damit werden Krankheiten wie etwa TBC ausgeschlossen. Zusätzlich bieten wir seit einem Jahr mit dem Medeus-Programm eine zusätzliche Gesundheitsleistung an. Dabei wird eine Gesundheitsakte angelegt, die Menschen bekommen Impfungen, die Kinder Frühuntersuchungen. Und bezüglich der Sprache?Natürlich können wir in den fünf Wochen keine Bäume ausreißen. Dennoch haben wir für die Kinder bis sechs Jahre die Spielstube aufgemacht, für Schulkinder und nun auch für Erwachsene wird Deutschunterricht angeboten. Die Menschen wollen Deutsch lernen. In den Kommunen bieten wir aus Landesmitteln „Willkommen in Rheinland-Pfalz (WIR)-Sprachkurse an“. Wir konnten die Konzeption in den Europäischen Sozialfonds (ESF) bringen und die Anzahl der Kurse ab 2015 für sieben Jahre auf ungefähr 100 verdoppeln. Ich kämpfe dafür, dass die vom Bund für die Integrationskurse angebotenen Sprachkurse für Flüchtlinge geöffnet werden, aber dem trägt die Bundesregierung nicht Rechnung. Der Fall der beiden Jugendlichen, die ohne Begleitung ankamen und in einem Pirmasenser Heim für 11.000 Euro monatlich untergebracht sind, während der später eingereiste Vater nach Mainz kam, bewegt die Gemüter. Wie viele solcher Fälle gibt es?Das ist ein Einzelfall. Ein wesentliches Kriterium bei der Verteilung ist, dass Familien zusammenkommen. In diesem Fall gab es das Problem, dass es in Mainz keinen geeigneten Wohnraum für den Vater und die Kinder gab. Sind Heimkosten von 5500 Euro in einer Jugendhilfeeinrichtung üblich? Die Leistungssätze werden zwischen den Kreisen und den Städten mit ihren Jugendhilfeträgern vereinbart. Die Sätze sind ganz unterschiedlich und bewegen sich zwischen etwa 120 und über 200 Euro am Tag, in diesem Fall sind es rund 180 Euro. Das sind die normalen Heimkosten, auch für unsere jungen Menschen, die in Einrichtungen kommen. Wir als Land erstatten die Kosten, wie sie vor Ort vereinbart worden sind. Die Stadt bleibt nicht darauf sitzen. 2014 hatten wir dafür 16 Millionen Euro zusätzlich in den Landeshaushalt eingestellt. 2015 werden es voraussichtlich rund 20 Millionen Euro sein. Interview: Karin Dauscher

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