Rheinpfalz „Das System ist verwirrend“

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Die Mehrwegflasche schwächelt – ihr Anteil sinkt seit Jahren. Ein Gespräch mit dem Abfallexperten der Union im Bundestag, dem Südpfälzer Thomas Gebhart, über leere Flaschen und andere Komplikationen.

Herr Gebhart, vor zwölf Jahren waren 66 Prozent aller in Deutschland verkauften Getränkeflaschen Mehrwegflaschen. Heute liegt die Mehrwegquote bei gerade noch 45 Prozent. Das dürfte daran liegen, dass unser Pfand-System immer verwirrender wird.

Das System ist verwirrend. Eine Umfrage hat zum Beispiel gezeigt, dass 50 Prozent der Bundesbürger glauben, Pfand bedeute Mehrweg. Das stimmt nicht. Wir zahlen ja auch Pfand für Einweg-Plastikflaschen, die nicht wiederbefüllt, sondern recycelt werden sollen. Genau. Die Politik in Deutschland hat immer wieder Anläufe unternommen, die Kennzeichnung zu verbessern. 2009 zum Beispiel hat der damalige SPD-Bundesumweltminister Gabriel eine Initiative gestartet, auf den Flaschen selbst deutlich auszuweisen, ob es sich um eine Einweg- oder um eine Mehrwegflasche handelt. Die EU-Kommission hat diese Lösung aber abgelehnt, weil sie zu Wettbewerbsnachteilen führe. Wer würde da, bitteschön, benachteiligt werden? Nach Einschätzung der EU würden ausländische Getränkehersteller dadurch benachteiligt, dass sie ihre Flaschen in Deutschland nicht mehr ohne Kennzeichnung verkaufen dürften. Der frühere CDU-Bundesumweltminister Peter Altmaier hat daraufhin eine weitere Verordnungsinitiative gestartet. Wenn die Flaschenkennzeichnung nicht möglich ist, solle der Handel die Kennzeichnung in seinen Regalen verbessern. Dem will aber der Bundesrat nicht zustimmen, der weiter der Flaschenkennzeichnung den Vorzug gibt. Die Initiative liegt also auf Eis. Darauf brauche ich jetzt keinen Sprudel, sondern einen Schnaps. Nicht nötig, wir haben eine gute Lösung gefunden. Nach vielen Gesprächen, an denen auch ich beteiligt war, hat sich die Getränkeindustrie in diesem Jahr freiwillig selbst verpflichtet, Einwegflaschen klar mit „Einweg“ zu beschriften. Da sind die ganz Großen dabei: Aldi, Lidl, Rewe, Coca Cola. Mit dieser freiwilligen Selbstverpflichtung werden bereits 85 Prozent des Marktvolumens abgedeckt. Das wäre ein Grund zum Jubeln, wenn die Flaschenkennzeichnung automatisch das Einkaufsverhalten verändern würde. Aber die Mehrwegquote sinkt doch deshalb, weil zum Beispiel die Discounter sehr billiges Wasser in Einweg-PET-Flaschen anbieten. Oder weil Glasflaschen zu schwer sind. Die freiwillige Flaschenkennzeichnung führt zu mehr Transparenz, das ist eine gute Sache. Und man kann ja auch nicht sagen, dass Mehrweg immer besser ist als Einweg. Mehrweg ergibt vor allem dann Sinn, wenn ich kurze Wege habe. Bei längeren Transportwegen kann das anders aussehen. Natürlich ist es unter Umweltgesichtspunkten am sinnvollsten, Getränke eines regionalen Abfüllers, zum Beispiel einer regionalen Brauerei, zu kaufen und die Flaschen wieder zurückzugeben. Dass das Mehrwegsystem schwächelt, könnte auch daran liegen, dass die mehrwegfreundlichen Grünen seit 2005 nicht mehr Teil der Bundesregierung sind – die wird seither von der CDU geführt. Das ist Unsinn. Sie wissen, dass es der CDU-Bundesumweltminister Klaus Töpfer war, der Anfang der 1990er-Jahre die erste Verpackungsverordnung auf den Weg gebracht hat. Und eine 20-Cent-Abgabe auf alle Einwegflaschen, wie sie der frühere grüne Bundesumweltminister Trittin fordert, lehne ich ab. Bei 17 Milliarden Einwegflaschen, die in Deutschland jährlich verkauft werden, würde das die Bürger mit über drei Milliarden Euro belasten. Das wäre immerhin ein echter Handlungsanreiz. Es gibt da noch ein Problem mit der EU. Dieselben Plastikwasserflaschen, für die ich in Deutschland 25 Cent Pfand bezahlen muss, kann ich in Frankreich ohne Pfand kaufen und dann bequem in Deutschland wegwerfen. Es stimmt, wir haben in Europa einen Flickenteppich, was die Abfallwirtschaft angeht. Aber Sie dürfen bei aller Kritik nicht außer Acht lassen, dass unser Pfandsystem in Deutschland extrem erfolgreich ist. Es ist etabliert und funktioniert sehr gut. Wir haben 30.000 Pfandrückgabe-Stationen in Deutschland. Niemand rüttelt bei uns an der Pfandpflicht, und 96 Prozent der Einweg-Pfandflaschen kommen zurück. Innerhalb der EU ist Deutschland da gemeinsam mit Finnland Spitze. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Wir sind auch europaweit Spitze, was die Menge an Verpackungsmüll angeht. Ich muss regelmäßig fünf Läden abklappern, um meine gesammelten Flaschen und -kisten abzugeben. Denn nicht jedes Geschäft nimmt alles zurück. Ein neuer Gesetzentwurf aus dem Haus von SPD-Umweltministerin Hendricks stellt nochmals klar, dass jedes Geschäft, das bepfandete Einwegflaschen verkauft, auch bepfandete Einwegflaschen anderer Händler zurücknehmen muss. Ausgenommen werden sollen Läden unter 200 Quadratmetern Verkaufsfläche, was es natürlich gleich wieder kompliziert macht.

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