Rheinland-Pfalz Das „Betriebshandbuch“ für Wölfe

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MAINZ (jüm). Wann kann ein Wolf für den Menschen gefährlich werden? Wer zahlt, wenn Isegrim ein Schaf reißt? Was tun, wenn ein Wanderer einem solchen Raubtier in freier Wildbahn begegnet? Antworten auf solche Fragen gibt der „Managementplan für den Umgang mit Wölfen in Rheinland-Pfalz“, den das Mainzer Umweltministerium gestern vorstellte.

1888 wurde bei Prüm in der Eifel der letzte wildlebende Wolf auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz zur Strecke gebracht. Doch Isegrim nähert sich dem Südwesten wieder auf leisen Pfoten: Wie aus dem Nichts tauchte im Frühjahr 2012 im Westerwald ein Exemplar auf. Es war der erste Nachweis auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz seit über 120 Jahren. Aktuell scheint ein Wolf im Siegerland Beute zu machen. Und auch jenseits der Südgrenze des Bundeslandes, in den Vogesen, gibt es Hinweise auf das Raubtier.Noch hat zwar kein Wolf sein Revier dauerhaft nach Rheinland-Pfalz verlegt. Aber Fachleuten gilt die Rückkehr der in Ausbreitung begriffenen Art nur als eine Frage der Zeit. „Wir freuen uns, dass sich unsere Natur so entwickelt hat, dass ehemals heimische Tiere wie der Wolf wieder hier leben können“, sagt Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne). Sie sieht darin eine Bereicherung der Artenvielfalt, will eine natürliche Wiederansiedlung daher unterstützen. Kein Thema ist aber laut Höfken eine Auswilderung durch Menschenhand, wie sie beim Luchs geplant ist. Die Ministerin weiß aber auch, dass Isegrim mindestens seit dem Märchen „Rotkäppchen und der böse Wolf“ übel beleumundet ist. So streckte im Jahre 2012 ein Jäger den Westerwald-Wolf wenige Wochen nach seinem Auftauchen nieder. Es kam zum Prozess, der Waidmann musste seinen Jagdschein abgeben und 3500 Euro berappen. Nach dieser Erfahrung richtete Höfken einen runden Tisch ein. Dazu wurden unter anderem Vertreter von Schafzüchtern und Jägern eingeladen, die von einer Rückkehr des Wolfs besonders betroffen wären. Die Beteiligten lobten gestern die konstruktiven Gespräche. Ein Ergebnis dieser Treffen ist der Managementplan, laut Höfken eine Art „Betriebshandbuch“ für den Fall, dass sich hierzulande wieder ein Wolf blicken lässt. Danach sollen für verlässliche Hinweise auf die Anwesenheit von Wölfen jeweils 100 Euro gezahlt werden. Solche Hinweise können Fotos oder auch die Meldung von Tieren sein, die von Wölfen gerissen wurden. Werden Schafe oder Ziegen erbeutet, werden ihre Halter entschädigt. Dazu gibt es Tabellen. Für ein Schaf kann mit etwa 150 Euro gerechnet werden, sagt Werner Neumann, der Vorsitzende des Landesverbandes der Schaf- und Ziegenhalter. Wird ein Wolf „sesshaft“, wird ein Präventionsgebiet ausgewiesen. Dort wird die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz Zuschüsse für die Anschaffung von Elektrozäunen oder anderen Vorsorgemaßnahmen gewähren, die bis zu 90 Prozent der Kosten ausmachen können. Verliert ein Waidmann seinen Jagdhund durch eine Wolfsattacke, soll er mit 4000 Euro für den Verlust entschädigt werden. Waldbesuchern will der Managementplan mögliche Ängste nehmen: Gesunde Wölfe würden den Kontakt mit Menschen meiden. Kommt es trotzdem zu einer Begegnung, sollte man Abstand halten, aber keinesfalls wegrennen. Scheint das Tier zu nahe zu sein, sollte man auf sich aufmerksam machen, laut sprechen, gestikulieren. „In der Regel“ werde sich der Wolf dann entfernen, heißt es im Plan. Hundebesitzer sollten bei einer Begegnung mit Isegrim ihre Vierbeiner an die kurze Leine nehmen. Wölfe seien gegenüber Menschen äußerst zurückhaltend, dieser natürliche Respekt würde sich dann auch auf deren Hunde übertragen. Laut dem Managementplan sind in den Jahren 1950 bis 2000 für Europa neun Wolfsattacken mit tödlichen Folgen für Menschen dokumentiert. Diese Attacken seien größtenteils auf Tollwut zurückzuführen. Die Menschen seien meist an den Folgen der übertragenen Tollwutinfektion gestorben. Seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland im Jahre 2000 seien keine Übergriffe von Wölfen auf Menschen bekanntgeworden. Für den Wolf selbst stellt der Straßenverkehr das größte Sicherheitsrisiko dar. Gundolf Bartmann, Vizepräsident des rheinland-pfälzischen Jagdverbandes, bezweifelt denn auch angesichts der dichten Besiedlung, der Viehhaltung und des Tourismus, dass das Bundesland zu einer konfliktfreien Heimat von Wolfsrudeln werden könne. Klar ist für ihn aber auch: Das Tier genießt nach europäischen Recht den höchsten Schutzstatus. Der Wolf sei für die Jäger heute „kein Konkurrent mehr, sondern ein Kollege“. Wer dennoch meine, „etwas mit der Waffe lösen zu können, muss mit schweren strafrechtlichen Konsequenzen rechnen“.


Zur Sache: Infos zum Wolf

Der 35-seitige Wolfsmanagementplan ist auf der Internetseite des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums zu finden. Die Adresse: www.mulewf.rlp.de. Für den Umgang mit Wölfen hat das Ministerium eine zentrale Telefon-Hotline unter der Nummer 06306/911199 eingerichtet. Dort gibt es Tipps zu Präventionsmaßnahmen, Informationen zu Regelungen bei einem Schaden an Nutztieren, Jagd- oder Hütehunden. Unter dieser Nummer beziehungsweise per Mail unter wolf@snu.rlp.de können auch Hinweise auf Wölfe in Rheinland-Pfalz gemeldet werden.Die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz hat im Internet unter www.wolf-rlp.de Informationen rund um das Thema Wolf veröffentlicht. Der rheinland-pfälzische Wolfsmanagementplan orientiert sich am Fachkonzept „Leben mit Wölfen“, das im Jahre 2007 vom Bundesamt für Naturschutz herausgegeben wurde. Es ist vollständig im Internet nachzulesen (in Google „Fachkonzept für ein Wolfsmanagement in Deutschland“ eingeben). Wer lebende Wölfe beobachten möchte, kann dies in der Pfalz im Wild- und Wanderpark Südliche Weinstraße bei Silz (die Internetadresse: www.wildpark-silz.de) und im Kurpfalzpark bei Wachenheim (www.kurpfalz-park.de) tun. Auf den Internetseiten der beiden Parke finden sich weitere Angaben, unter anderem zu den aktuell geltenden Öffnungszeiten. Mindestens elf der 34 in Deutschland lebenden Wolfsrudel oder -paare sind im Osten von Sachsen heimisch. Die Lausitz präsentiert sich im Internet denn auch selbstbewusst als „Wolfsregion“. Auf einem Wolfsradweg können Interessierte Isegrims Spuren folgen. Ausführliche Informationen finden sich im Internet unter der Adresse www.wolfsregion-lausitz.de (jüm)

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