Rheinpfalz Schrecken verloren, aber Mahnung für die Zukunft

Mehr als 60 Teilnehmer strömten ins Innere des geöffneten Museumsbunkers.
Mehr als 60 Teilnehmer strömten ins Innere des geöffneten Museumsbunkers.

Es ist nicht mehr viel vom Schrecken des ehemaligen Waffenlagers im US-Depot Fischbach übrig. Jürgen Rubeck, Vorsitzender der Interessengemeinschaft „area1“, versteht es allerdings bei seiner Führung, die Vergangenheit in anschaulichen Details zu schildern. Unterstützt wird er von den Südwestpfalz-Gästeführern, die den Alltag und die Gefühlslagen der Menschen damals in kleinen Szenen lebendig werden lassen.

Der Block mit den Eintrittskarten ist fast leer und auch die letzten drei gehen noch weg. Die Organisatoren staunen nicht schlecht, als sich über 60 interessierte Besucher am ehemaligen Tor der Area 1 versammeln. Die Wolken sind am Samstag genauso grau wie der Beton von Wachgebäude und Turm, den einzigen halbwegs erhaltenen Gebäuden. Rubeck begrüßt die Gäste an der Friedenslärche, die 2012 von der Jury des Europäischen Dorferneuerungswettbewerbs gepflanzt wurde. Erst 2009 hatte der Verein beschlossen, hier auf dem Areal aktiv zu werden, um Geschichte erlebbar zu machen – „leider viel zu spät“, wie Rubeck heute bedauert. Das gesamte US-Depot erstreckte sich über eine Fläche von 680 Hektar. „Es gibt Gemeinden in der Pfalz, deren Gemarkung kleiner ist“, sagt Rubeck. Der Kern der Anlage, der Hochsicherheitsbereich, war mit drei Zäunen gesichert, dazwischen wechselweise Gras oder Kies. „Wer hier herein wollte, musste zunächst die Personenvereinzelungsanlage passieren“, erklärt Rubeck und erntet fragende Gesichter, bis er das Beamtendeutsch übersetzt. „Gemeint ist das Drehkreuz“, sagt er und hat die Lacher auf seiner Seite. Aufmerksam lauschen die Zuhörer, als er vom Schießbefehl berichtet, von der Nervosität der Amerikaner wegen der damals aktiven Terrorgruppe „Rote Armee Fraktion“. Nach einigen Metern erwartet uns die erste Spielszene. Ein Wohnzimmer in den Fünfzigern. Vera Ulrich liest aus Jules Vernes „Die Reise zum Mond“, es entspinnt sich ein Zwiegespräch mit Patrick Liebel über die Zeit, als die USA und Russland sich einen Wettlauf über die Vorherrschaft im Weltraum lieferten und die Welt mehr als einmal den Atem anhielt. Wir passieren den Platz des ehemaligen Wartungsgebäudes, von dem nur noch eine Betonfläche übrig ist. Von den 96 Munitionslagerhäusern stehen noch 19, wie Rubeck berichtet, der Rest ist abgerissen worden. Er erläutert die Waffensysteme, die hier gelagert wurden. „Das Zeug, das hier lag, hätte Mitteleuropa vernichten können“, sagt er überzeugt. Man habe damals Waffen hier stationiert, die eine Reichweite zwischen 18 und 120 Kilometern hatten, also auch wieder auf deutschem Boden eingeschlagen wären. „Man hat den Gegner quasi ernsthaft damit bedroht: Wenn ihr Bösen über unsere Grenze kommt, bringen wir uns um“, erzählt Rubeck. Höhepunkt der Führung ist der Museumsbunker. Karlheinz Rietdorf öffnet eine schwere Eisentür, die zweite streikt, sie will sich nicht öffnen. Das stört die Besucher nicht, sie sind geduldig und sehen sich nacheinander das Innere an. Eine weitere Szene mit Ulrich und Caprera führt uns zurück ins Jahr 1966, als der GI James die Marie „bussiert“ hatte, obwohl ihre Mutter ihr gesagt hatte: „Loss die Finger vun dene Ami.“ Das Ergebnis der „Bussiererei“ liegt in der „Kinnerschees“. James indessen ist nicht geblieben, er musste zurück in die USA und dann nach Vietnam. „Als die US-Truppen 1993 aus dem Gebiet der Pfalz abgezogen waren, bedeutete das für die Region einen ersatzlosen Verlust von 4000 Arbeitsplätzen“, weiß Rubeck zu berichten. Dann zeigt er einen der zertrümmerten Bunker, erkennbar sind sie am Hügel mit jungem Baumbewuchs. Darunter liege noch der mit Erde bedeckte Betonschrott. Über die Kosten für die Beseitigung der Bunker könne er keine exakten Zahlen erhalten, die Angaben schwanken zwischen 5000 Euro und 20.000 Euro pro Stück. „Mir sagt keiner was Genaues, es gibt hier auch wilde Spekulationen“, sagt der Vorsitzende. Im Gänsemarsch gehen wir über einen markierten Weg durchs Dickicht zu einem Hubschrauberlandeplatz, auf dem noch die Markierung zu sehen ist. Alle Linien streben auf einen Mittelpunkt zu. Just an dieser Stelle wächst eine Kiefer, die Natur erobert sich ihr Terrain zurück. Nach einer Spielszene aus den Siebzigern mit Schlaghose, Hippieklamotten, Kaugummi und Cola kommen wir zum Ausgangspunkt zurück und staunen nicht schlecht. Dort werden wir schon von Patrick Liebel in Polizeiuniform und Bernd Schwarz im Security-Outfit erwartet. Der 26. August 1988 ersteht vor unseren Augen mit Sitzblockaden vor dem Tor des US-Depots, wilden Spekulationen, was dort denn nun gelagert sei und Einheimischen aus dem Dorf, die die Friedensaktivisten als Chaoten bezeichnen: „Ihr macht unsere Arbeitsplätze kaputt.“ Doch das Ganze endet friedlich. Zwar bei strömendem Regen, aber da wird’s auch wärmer im Betonunterstand. Bei Kaffee und Kuchen geht der Austausch der Teilnehmer noch lebendig weiter. Viele sind beeindruckt, auch erschüttert. Es wird uns klar, wie oft der Friede schon am seidenen Faden hing. Da klingen die trotzigen Worte von Ulrich als Friedensaktivistin schon fast wie eine Ansage für die Zukunft: „Der einzige Weg ist ziviler Ungehorsam. Ich bleibe hier sitzen für den Frieden.“

Ellen Caprera (links) und Vera Ulrich geben im Look der Siebziger einen Einblick in den Alltag, als die Ölkrise das Land lahm le
Ellen Caprera (links) und Vera Ulrich geben im Look der Siebziger einen Einblick in den Alltag, als die Ölkrise das Land lahm legte und Kaugummi und amerikanische Wörter wie »cool« Einzug in die Jugendsprache hielten.
x