Kultur Südpfalz Wir-Gefühl der Wortsucher

Textgemeinschaft (sitzend, von oben nach unten): Max Schönherr, Lene Albrecht, Ronya Othmann, Gregor Heim, Anna Gielas, Alexande
Textgemeinschaft (sitzend, von oben nach unten): Max Schönherr, Lene Albrecht, Ronya Othmann, Gregor Heim, Anna Gielas, Alexander Raschle, Leiter Reinhard Kaiser-Mühlecker, Manon Hopf und Ann-Kathrin Ast. Stehend von oben nach unten: Yannic Federer, Lektorin Petra Gropp, Gastgeberin Barbara Stahl. Es fehlt Dorothee Riese.

„Von Anfang an ist da dieses Wir-Gefühl“ schwärmt Anna Gielas, die es mit ihren 35 Jahren – der Altersgrenze für diese Schreibwerkstatt – „einfach mal wissen wollte“ und sich „mit dem allerersten Text“, den sie jemals als literarische Herausforderung schrieb, bei der Ponto-Stiftung bewarb. Im Januar traf sie sich mit ihren neun ausgewählten Mitstreitern zur Auftaktveranstaltung im Herrenhaus, wo man sich kennenlernte und wichtige Impulse für die Arbeit am eigenen Text bekam. Jetzt, ein halbes Jahr später, wird sich zeigen, ob man damit vorankam. Gar nicht so einfach, wenn man – wie die Deutsch-Polin, „den ganzen Tag in der Uni-Bibliothek sitzt“, um im Fach Wissenschaftsgeschichte zu promovieren. Gerade deshalb aber habe sie als Ausgleich selbst produktiv sein wollen und „Dinge, die mich im Alltag beschäftigen“ zu einem Romankonzept gefügt. „Es geht darum, Leute, die mir wichtig sind, zu feiern, ihnen ein Denkmal zu setzen.“ Der Text sei „von den aktuellen Ereignissen politisch angehaucht“ und handele unter anderem von einer Spezialeinheit des Militärs. „Die Figuren, die ich ins Leben gerufen habe, haben mich befreit“, stellt Anna Gielas erfreut fest und sieht die Literatur nun als „Medium, mich auch anderen Leuten zu öffnen“. Dabei sei es schwierig, „so etwas Intimes wie den eigenen Text mit Fremden zu teilen.“ Gut, dass die Ponto-Schreibwerkstatt ein „geschützter Raum“ sei und eine „soziale Komponente habe“. Und dass man, wie Lektorin Petra Gropp betont, „großen Wert auf eine konstruktive Atmosphäre legt, bei der die Kritik aus den Texten heraus entsteht“. Trotzdem müsse man Einwände oder gar Wünsche anderer erst auf das herunterbrechen, was man mit seinem Text selbst ausdrücken will, gibt Yannic Federer zu verstehen, Germanist und Kulturtheoretiker an der Uni Bonn. Parallel zu all der Literaturtheorie hat ihn das praktische Schreiben immer begleitet, und auch an dem Text, den er für die Werkstatt einreichte, arbeitet er schon seit Mitte 2014. Im Laufe der Zeit habe sich eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten zu einem Roman entwickelt, der um die Frage kreist, was Heimat für ihn bedeutet. „Es ist eher etwas Dusteres, Drückendes, was da entsteht“, sagt der junge Mann mit deutsch-indonesisch-chinesischen Wurzeln. In der Schreibwerkstatt will er austarieren, wie der Text auf andere wirkt. „Kommt das rüber, was ich rüberbringen will?“ Und umgekehrt: „Was macht Kritik mit mir? Ist sie im Text umsetzbar oder kommt etwas heraus, was ich selbst gar nicht will?“ Davor wird ihn Reinhard Kaiser-Mühlecker, Leiter der Schreibwerkstatt, gewiss bewahren. Denn der oberösterreichische Autor, der hier 2006 als 23-Jähriger selbst Teilnehmer war, sagt, er habe vor allem Eines gelernt: „Es geht nur darum, was der Schreiber will. Kritik muss vorsichtig sein, angelegt als Bestärkung. Das Wichtigste ist allerdings, genau zu wissen, was man eigentlich will.“ Damit hat Manon Hopf, die eine deutsch-französische Biografie aufweist und im Allgäu lebt, kein Problem. Ihr Ding ist es, „Kurzprosa“ mit viel Atmosphäre zu schreiben und dabei dennoch „eine klare Grenze zur Lyrik zu ziehen“. Dass da auf alle Fälle viel Poesie drinsteckt, verrät der spontane Widerhall in der Gesprächsrunde. Der Werkstattleiter spricht von „Miniaturen“, die Lektorin von „lyrischer Prosa“, die von Bildern, Metaphern, Klang und Rhythmus getragen wird und die Autorin selbst konkretisiert: „Es geht um Eine-Welt-Bilder, Landschaftsräume und einen Zyklus von Texten, in dem das Meer und die Küste eine Rolle spielen“. Und die mit etwas Schriftstellerglück vielleicht einmal in einem Erzählband stranden. Bei so vielseitigem Werkstatt-Material, zu dem auch noch einige Coming-Out-Geschichten, Texte mit Betrachtung verschiedener Kulturen sowie futuristisch anmutende oder aus der Vergangenheit schöpfende Auseinandersetzungen mit der Gegenwart gehören, ist eine facettenreiche öffentliche Lesung am Sonntag garantiert. Die zehn Werkstatt-Teilnehmer sehen dem Ereignis, das für viele eine Premiere ist, freilich mit besonders großer Spannung entgegen, denn an diesem Tag wird auch entschieden, wer das mit 10.000 Euro dotierte Residenzstipendium der Ponto-Stiftung für einen fünfmonatigen Aufenthalt im Herrenhaus Edenkoben für sich entscheiden kann. Info Abschlusslesung der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung, Sonntag, 25. Juni, 16 Uhr, Herrenhaus Edenkoben. Es lesen: Lene Albrecht, Ann-Kathrin Ast, Yannic Federer, Anna Gielas, Gregor Heim, Manon Hopf, Ronya Othmann, Alexander Raschle, Dorothee Riese, Max Schönherr.

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