Kultur Südpfalz „Ich möchte einfach Begeisterung wecken“

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„Jeder stirbt für sich allein“, ein Schauspiel nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada in der Bearbeitung von Volkmar Kamm wird am Dienstag, 28. März, 20 Uhr, in der Landauer Festhalle im städtischen Abonnement-Programm gespielt. Zu diesem Stück gibt es eine kostenlose Einführung mit Oberbürgermeister a. D. Hans-Dieter Schlimmer um 19.20 Uhr im Kleinen Saal. Wir sprachen mit Schlimmer vor seiner Premiere in diesem Format, die Auftakt zu einer lockeren Folge von Theater-Einführungen ist.

Sie lieben und sammeln Kunst, sind ein Freund der Musik – wie ist Ihr Verhältnis zum Sprechtheater und zur Schauspielkunst?

Nun, alles hängt für mich zusammen. Maler sind doch Dichter mit dem Pinsel, und Musiker dichten mit Noten. Die Literatur ist für mich das Verbindende und das Theater ihr unmittelbarster Ausdruck. Große Musiker oder Schauspieler live auf der Bühne erleben zu dürfen, hat etwas regelrecht Erhabenes. Sie geben sich ganz hin, auch mit dem Risiko des Scheiterns. Große Kunst! Gab und gibt es prägende Theatereindrücke für Sie? In Landau und anderswo? Lassen Sie mich kurz überlegen. Ja, ich erinnere mich an die Theaterbesuche mit meiner Mutter in den 60er-Jahren. Damals gab es nur eine Aboreihe in unserer Festhalle. Und mein Vater zeigte ausschließlich Interesse für die großen Konzerte. Zwölf Jahre dürfte ich gewesen sein, als „Nathan der Weise“ mit Pinkas Braun in der Hauptrolle aufgeführt wurde. Ich habe das Stück damals wohl nicht in seiner gesamten Tiefe verstanden, aber ich war fasziniert und tief beeindruckt. Auch von „Wallensteins Tod“ einige Zeit danach. Später begeisterte mich ganz klar Bert Brecht, seine „Mutter Courage“ oder insbesondere „Der kaukasische Kreidekreis“, ein Stück, das mich bis heute wirklich anrührt. Unvergessen für mich bleibt auch das Chawwerusch-Stationen-Theater „Landauer Leben – Jüdisches Leben in Landau“. Großartig, was auch Laien leisten können. 2013 fand ich Gelegenheit zu „Kabale und Liebe“ im alten Brecht-Theater in Berlin in einer Inszenierung von Claus Peymann. Ganz großes Theater! Wie kam es zu dem Projekt, Einführungen zu den Schauspielabenden zu machen? Zum Ende meiner Amtszeit saß ich mit Frau Haas, unserer Kulturreferentin, bei unserer regelmäßigen Rücksprache. Wir sprachen zufällig auch über die Einführungen von Herrn Imo zu unseren Konzerten. Da kam mir die Idee, das doch auch mal beim klassischen Theater zu versuchen. Frau Haas war begeistert und sagte spontan zu. Jetzt schaun’ wir mal, ob es angenommen wird. Ich bin gespannt. Sie haben ja schon einige Einführungen bei Vernissagen gemacht. Was sind die Unterschiede zur Vorstellung eines Theaterstücks, und wo liegen da die besonderen Herausforderungen? Ach, so große Unterschiede sehe ich gar nicht. Ich möchte bei beidem einfach Begeisterung wecken. Begeisterung für den Maler beziehungsweise Autor, beim Schauspiel aber auch für die Schauspieler und die Aufführung insgesamt. Wenn „Lust auf mehr“ entstünde, würde mich das riesig freuen. Die besondere Herausforderung besteht vor allem darin, das gesamte Wissen auf einen kurzen Vortrag hin zu komprimieren und diesen so darzustellen – das ist in gewisser Weise ja auch Schauspielerei (lacht) – dass die Zuhörer die gesamte Zeit über „dabei bleiben“ und nicht mit ihren Gedanken abdriften. Worauf legen Sie bei Ihren Einführung besonderen Wert? Inhalt, literaturgeschichtliche Einordnung oder (politische) Botschaft? Im Grunde von allem ein bisschen. Wissen Sie, viele berufstätige Menschen, und ich weiß, wovon ich spreche, haben gar nicht die Zeit, sich vorher intensiv mit einer Aufführung zu beschäftigen. Ich möchte das Stück natürlich nicht vorweg nehmen, aber durch eine gute Hinführung kann ein vertiefteres Verständnis entstehen. Fallada hat ja einen Roman und kein Theaterstück geschrieben. Spannend bleibt auch für mich, wie der ganze Roman, der immerhin knapp 700 Seiten umfasst, in eine kompakte Bühnenfassung übertragen wird. Was sollen die Besucher Ihrer Einführung für das folgende Theatererlebnis mitnehmen? Sie wissen danach hoffentlich etwas mehr über die komplexe, vielschichtige, aber auch äußerst schwierige Persönlichkeit dieses herausragenden und lange Zeit fast vergessenen Schriftstellers. Und auch über die wahre Geschichte, die dem Buch zugrunde liegt. Vielleicht macht sich auch mancher, der heute jammert, nach dem Stück Gedanken darüber, wie ungleich schwerer, ja im wirklichen Sinne lebensgefährlich es war, seine Meinung offen zu äußern. Und dass gerade deswegen unsere Demokratie heute leidenschaftlich und mutig verteidigt werden muss. Welche Beziehung haben Sie zu Hans Fallada, was spricht Sie an seinen Büchern besonders an? Hans Fallada schrieb in seinen großen Werken über die sogenannten einfachen Leute, jene Menschen also, die im Leben ganz schnell zu Verlierern werden können, weil sie keine Lobby haben. Und das in einer klaren, einfachen Sprache, die allerdings nicht ins Triviale abgleitet. Seine Handlung ist stets nachvollziehbar, konkret. Man muss kein Literaturwissenschaftler sein, um seine Werke zu verstehen. Aber sie biedern sich auch nicht an, sondern sind große Literatur. Auch heute noch absolut lesbar und im übertragenen Sinn aktuell. Welche Theaterautoren – alte und neue – schätzen Sie am meisten? Shakespeare ist und bleibt für mich der Größte. Ein bis heute letztendlich unbekanntes Phänomen, ein eigenes dichterisches Sonnensystem sozusagen. Dann natürlich Goethe, sein Faust, Schiller, Lessing, Brecht, in dieser Reihenfolge. Dürrenmatt und Frisch ganz klar auch noch. Schwerer tue ich mir offen gesagt mit experimentellem Theater. Jedem das Seine eben (lacht). Das ist ja das Schöne an der Kunst insgesamt, sie regt an, bisweilen auch auf, aber sie drängt sich nicht auf. Welche Stücke würden Sie in den nächsten Jahren gerne in Landau sehen und besprechen? Gerne einmal wieder einen wirklichen Klassiker. Dichter habe ich ja gerade genannt. Ich vertraue auf das Gespür von Frau Haas, die in ihrer Auswahl ja stets auf die „Angebote des Marktes“ angewiesen ist. Sie hat aber bewiesen, dass sie ein gutes Händchen hat. Freuen Sie sich auf die neue Aufgabe? Ich genieße das große und für mich immer wieder unglaubliche Privileg, nur noch Dinge tun zu können, die ich spannend finde und die mir wirklich Freude bereiten. Die neue Aufgabe gehört ganz eindeutig dazu! | Interview: Karl Georg Berg

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