Rheinpfalz Mudders Gutselstand

91-78463730.pdf

Irgendwie hat es fast jeder Pfälzer schon einmal gehört, ziemlich viele haben es gar selbst gesungen: das Lied vom „Gutselstand“. In wenigen Zeilen wird darin ein erstaunlicher Vorfall berichtet, der mindestens eine Sachbeschädigung darstellt, wenn nicht sogar Körperverletzung oder mehr: Mei Mudder hot en Gutselstand, do drowwe uff de Dannstadter Höh. Do kummt en Borsch mit em Stecke in de Hand und haat meiner Mudder uff de Gut- selstand. Hallihallo, Hallihallo, s’isch traurich awwer wohr: Im gaanze Land kän Gutselstand, wie meiner Mudder ihrer änner war. Etliches scheint bei diesem Volkslied ziemlich klar und eindeutig zu sein: Das Geschehen spielt auf jenem Mini-Höhenzug, der sich nahe des Gemüseanbauorts Dannstadt durch die Vorderpfalz zieht. Geschädigte ist ganz offensichtlich eine Mutter, Täter ein Bursche, und die Tatwaffe ist zweifelsfrei ein „Stecke“. So weit, so gut. Aber es bleiben Fragen: Denn warum schlägt dieser Kerl so unvermittelt und mit voller Absicht auf den Gutselstand ein? Und dazu mit solcher Wucht, dass Mudders Verkaufsbude im Nachhinein offenbar irreparabel zerstört war? Und warum betreibt eine Frau überhaupt mitten in den Gemüseäckern einen Süßigkeitenstand? Heimatbücher, Chroniken und alte Zeitungsbände schweigen sich darüber beharrlich aus. Das Rätsel des Tatgeschehens können selbst solche Dannstadter nicht lösen, die seit 70 Jahren und mehr dort ununterbrochen leben: „Das weiß keiner hier.“ Was wirklich verwunderlich ist. Denn das Lied vom Gutselstand sei „so etwas wie die Dannstadter Nationalhymne“, sagt Stefan Veth, Verbandsbürgermeister von Dannstadt-Schauernheim. Es werde bei fast allen Auftritten der örtlichen Musikvereine gespielt. Veth vermutet, dass der Text in den 1950-er Jahren von einem Installateur und einem Gastwirt in Dannstadt gemeinsam verfasst wurde. Und sich dann, wohl nicht zuletzt wegen der eingängigen Melodie, in der ganzen Pfalz verbreitet hat. An Weinfesten, Kerwen und jetzt zur Fasnacht ist das Lied ein beliebter Gassenhauer. Inzwischen gibt es sogar Versionen in Englisch, Französisch und Italienisch. Fritz Wiedemann (1920-1987), Pfälzer Original, Maler und Bildhauer, soll in seiner Neustadter Weinstube „Eselsburg“ häufig den „Gutselstand“ zur Drehorgel zum Besten gegeben haben. „Dort habe ich vor 40 Jahren zum ersten Mal dieses Lied gehört“, berichtete unlängst eine Speyerer Richterin, als sie in der „Eselsburg“ ihren 60. Geburtstag feierte. Prompt stimmten die Gäste im Lokal den „Gutselstand“ an. Natürlich ohne zu wissen, was sie da eigentlich singen. Der Ruppertsberger Ehrenoberschützenmeister Raymund Rössler kann zumindest eine Erklärung liefern, was es mit dem Stand selbst auf sich haben könnte. Bis 1955 existierte zwischen Ludwigshafen und Meckenheim eine Lokalbahn: Der „feurige Elias“ brachte die Aniliner zur Arbeit nach Ludwigshafen. Rössler fuhr selbst zwei Jahre lang mit dem Zug. Wenn bei der BASF Zahltag war, seien die Arbeiter in Dannstadt am außerhalb liegenden Bahnhof flugs ausgestiegen, hätten dort an einem Verkaufsstand einen Schnaps gekippt und wären dann wieder auf den abfahrenden Zug aufgesprungen, erinnert sich Rössler. Solchermaßen beschwingt, könnte auch das „Gutselstand“-Lied entstanden sein. Der Vorderpfälzer Mundartdichter Bruno Hein, der seit 1989 Jurymitglied des Mundartwettbewerbs „Dannstadter Höhe“ ist, vermutet ohnehin: „Der Text ist wohl, was er ist: ein simpler Nonsenstext, geschrieben aus Spaß an der Freud.“ Oder wissen Sie mehr? Dann schreiben Sie uns! Unbedingt!! Und vor allem schnell!!! Bevor en Borsch mit em Stecke in de Hand kummt

x