Rheinpfalz „Mit der Natur haushalten“

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STURZELBRONN. Das grenzüberschreitende Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen soll neuen Schwung erhalten: Vertreter aus Rheinland-Pfalz und Frankreich unterzeichneten gestern im lothringischen Sturzelbronn einen bis 2021 befristeten Kooperationsvertrag. In diesem Papier verpflichten sich beide Seiten, ein Aktionsprogramm zu erarbeiten und zu verwirklichen.

Guillaume Krause begrüßt seine Gäste aus Deutschland und Frankreich mit einem Satz, der an diesem Nachmittag noch öfter zu hören ist: „Natur kennt keine Grenzen.“ Hier, im Bitscher Land, gehen Pfälzerwald und Nordvogesen nahtlos ineinander über. „Wir haben dieselben Wälder und Bäche“, so Krause, Bürgermeister der 179 Einwohner zählenden Gemeinde Sturzelbronn, weiter. Und deshalb sei es so wichtig, dass „wir im grenzüberschreitenden Biosphärenreservat mit der Natur haushalten“. Dazu zählt nach dem Biosphären-Konzept der Unesco unter anderem, die Natur in besonders geschützten Kernzonen sich selbst zu überlassen, also auf Holzeinschlag und andere menschliche Eingriffe möglichst zu verzichten. Im Pfälzerwald genießen bereits 2,1 Prozent der Fläche diesen höchsten Schutzstatus, derzeit wird die Ausweiterung auf drei Prozent vorbereitet. In den Nordvogesen sind erst 0,5 Prozent der Fläche als Kernzonen ausgewiesen. Aber auch dort werden inzwischen zwei Prozent angestrebt, sagt Michael Weber, Präsident des Nordvogesen-Naturparks. Manches wurde bereits erreicht, seit das grenzüberschreitende Biosphärenreservat 1998 aus der Taufe gehoben wurde. Zu den Vorzeigeprojekten zählen die beliebten deutsch-französischen Bauernmärkte. Derzeit arbeiten beide Seiten daran, beiderseits der Grenze einen Biotopverbund zu knüpfen. Zu diesem „Biocorridors“ genannten Projekt steuert unter anderem die Europäische Union (EU) im Zuge ihres „Life“-Programmes Gelder bei. Solche Beispiele zeigen nach den Worten des pfälzischen Bezirkstagsvorsitzenden Theo Wieder, „was das Miteinander bedeuten kann“. Dies sei wichtig in einer Zeit, in der die europäische Idee in einem Maße gefährdet scheine wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Doch die Unesco ist mit dem Erreichten noch nicht zufrieden: Das Entwicklungspotenzial werde bei weitem nicht ausgeschöpft, kritisierten das deutsche wie auch das französische Biosphären-Komitee schon vor Jahren. Die beiden Gremien wachen über die Einhaltung der Unesco-Kriterien. Das setzte auch die Politik beiderseits der Grenze unter Zugzwang. Die Kooperationsvereinbarung „soll die Zusammenarbeit in elf Arbeitsfeldern stärken“, betont denn auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken bei der Unterzeichnung in Sturzelbronn. Schutz der Artenvielfalt, Ausweitung des Klimaschutzes, naturnahe Waldwirtschaft oder auch ökologisch verträglicher Qualitätstourismus sollen gefördert werden. Auf französischer Seite sagt Barbara Pompili, Staatssekretärin für biologische Vielfalt im Pariser Umweltministerium, kurzfristig wegen eines anderen Termins die Reise in die Provinz ab. An ihrer Stelle unterzeichnet Emmanuel Berthier, Präfekt der Mosel-Region. Dass neben den beiden Naturpark-Vorsitzenden Theo Wieder und Michael Weber auch Vertreter der beiden Länder die Vereinbarung im Sturzelbronner Rathaus besiegeln, ist bedeutsam. Verpflichten sich doch in dem Papier beide Seiten, dass „alle Möglichkeiten zur Umsetzung“ des noch zu erarbeitenden Aktionsprogrammes „mit Hilfe nationaler finanzieller Mittel“ ausgeschöpft werden sollen. Übrigens: Dass Staatssekretärin Pompili nicht erschienen ist, bedauern vor dem Rathaus auch zwei Dutzend Elsässer. Mit Plakaten und Parolen protestieren sie gegen eine bei Niederbronn geplante umstrittene Asbest-Deponie. Lautet doch ein eherner Grundsatz der Biosphärenreservate, dass sich in solchen Gebieten „Mensch und Natur im Einklang“ entwickeln sollen. Dass dies bei der Deponie gelingen kann, bezweifeln die Demonstranten entschieden.

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