Rheinpfalz In aller Demut

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Hach, so viel Eitelkeit! Dachten sich die Eingeborenen, als ab 1815 die Preußen durchs Rheinland stampften und stolz ihre Schärpen, Abzeichen und Medaillen zur Schau stellten. Um sich über das Gehabe ihrer neuen Obrigkeit lustig zu machen, erfanden die Kölner den Fasnachtsorden. Doch in der Welt des organisierten Frohsinns hat sich ihr einstiger Spaß längst in bitteren Ernst verwandelt. Der rheinland-pfälzische Innenminister und SPD-Landeschef Roger Lewentz, als Sozialdemokrat ein fortschrittlicher Geist, hat den Entspaßungstrend jetzt auf die Spitze getrieben. Am Donnerstag verlieh der Träger der Ehrenmedaille der Bundeswehr und des Ehrenzeichens des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen-Anhalt erstmals einen ministeriellen, mithin von der Obrigkeit selbst erfundenen Fasnachtsorden. Dekoriert werden durfte in so einem historischen Moment natürlich nur ein Preisträger ersten Ranges. Die Wahl fiel auf den Mainzer Alt-Bischof Karl Kardinal Lehmann, der, so will es der fromme Brauch, als bescheidener Gottesmann weltliche Ehrungen nur in wohlbegründeten und ganz seltenen Ausnahmefällen entgegennimmt. So ist er bislang lediglich Namensgeber einer frostharten Kletterrose. Und Träger des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik mit Stern und Schulterband. Und zweier Ehrenbürgerschaften. Und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Und des Deutschen PR-Preises 2008 in der Kategorie „Kommunikator des Jahres“. Und des Europäischen Handwerkspreises des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags. Und des Hammer-Preises der Kreishandwerkerschaft Mainz-Bingen. Und des Apollonia-Preises der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe. Der Kardinal lässt sich also nur auszeichnen, wenn der Preis nicht nur ihn, sondern zugleich wissenschaftliche, kirchliche oder humanitäre Anliegen würdigt. Als früherer Dogmatik-Professor würde er demnach allenfalls noch die goldene Modestia-Statue des Forschungsverbunds sokratischer Philosophen akzeptieren. Und für seine Verdienste um Topfpflanzen im Mainzer Bischofshaus könnte er die Verdienstnadel mit Silberranke des Kleingärtnervereins „Dichte Hecke“ Mainz-Amöneburg annehmen. Oder die Würde eines RTL-Dschungelkönigs ehrenhalber. Auch den Ehrenpreis des Bundesverbands deutscher Urkundenpapierhersteller für Verdienste um das deutsche Ehrenpreiswesen wird Lehmann schwerlich abschlagen können. Im Nachhinein betrachtet, ist außerdem klar: Auch Lewentz’ ministeriellen Fasnachtsorden musste der Gottesmann einfach annehmen. Um des Gemeinwohls willen. Schließlich empfahl schon der große griechische Philosoph Aristoteles in seinem Lehrbuch über die Politik, dass „man niemanden unverhältnismäßig emporkommen lasse, sondern lieber kleinere und langdauernde Ehren zu verleihen suche“. Und der französische Politiker Aristide Briand definierte einen Orden als „kostensparenden Gegenstand, der es ermöglicht, mit wenig Metall viel Eitelkeit zu befriedigen“. Indem er das Narrenblech des Innenministers entgegengenommen und ihm so in aller Demut seinen kardinalen Glanz verliehen hat, hat sich Lehmann also um das soziale Gleichgewicht in Rheinland-Pfalz verdient gemacht. Und um den Landeshaushalt. Eigentlich gebührt seiner Eminenz dafür eine Auszeichnung. | Christoph Hämmelmann

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