Rheinpfalz Urteil im Mörlheimer Mordprozess erwartet

91-94842310.jpg

Am Donnerstag wird das Urteil verkündet im Mordprozess gegen zwei Rumänen, die im Mai 2016 bei einem Einbruch im Landauer Stadtteil Mörlheim eine 86-Jährige zu Tode getreten und geschlagen haben sollen. Was in jener Nacht wirklich geschah, bleibt im Dunkeln. Das Gericht muss sich auf Spuren und Indizien stützen.

Landau

. Mitten in der Nacht klingelt oder klopft es an der Tür des Hauses, in dem die alte Frau ganz alleine lebt. Als sie das Fenster ihres Esszimmers öffnet, wird sie von mehreren Männern überwältigt. Sie stürzt zu Boden, wird über längere Zeit brutal getreten und geschlagen. Als die Täter von ihr ablassen und sich mit einigen Stücken Goldschmucks sowie 160 Euro Bargeld aus dem Staub machen, ist die 86-Jährige so schwer verletzt, dass sie Stunden später stirbt. In einer Blutlache unterhalb ihres Esszimmerfensters liegend. So soll es sich abgespielt haben. Die Schilderungen der Staatsanwaltschaft decken sich mit dem Geständnis des einen Angeklagten. Doch viele Details bleiben unklar. Ein Gerichtsmediziner aus Mainz schockiert im Prozess in Landau alle Zuhörer mit den Ergebnissen seiner Untersuchung – und zeigt Fotos, die das Grauen jener Nacht erahnen lassen. Die 86-Jährige erlitt mehrere Knochenbrüche, Blutergüsse an Kopf und Oberkörper, ein gebrochenes Jochbein durch Tritte ins Gesicht, Platzwunden im Mund und Risse am linken Ohr. Der Mediziner zählt 30 verschiedene Verletzungen auf. Die Frau habe sich gewehrt, sie sei fit gewesen. Wäre der nächtliche Überfall nicht passiert, hätte sie noch Jahre leben können, sagt er. Nach sechs Verhandlungstagen fordert die Staatsanwaltschaft für die beiden Angeklagten lebenslange Haft wegen gemeinschaftlichen Mordes und Raubes mit Todesfolge. Wegen der besonderen Schwere der Schuld möchte sie sicherstellen, dass die Strafe nach 15 Jahren nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. In diesem Punkt widersprechen die beiden Pflichtverteidiger. Sie glauben nicht an eine Tötungsabsicht, sondern eher daran, dass die Situation eskaliert ist. Die Verhandlung vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Landau ist mühsam, denn jedes Detail muss übersetzt werden. Die 25 und 30 Jahre alten Angeklagten sind rumänische Staatsangehörige, stammen aber aus Ungarn und sprechen nach eigenen Angaben nur ungarisch. Sie leben eigentlich in Siebenbürgen im Zentrum Rumäniens, gehören dort zur Minderheit der Roma. Vor etwa vier Jahren kamen die Männer erstmals nach Mannheim, pendeln seither zwischen beiden Ländern. „Sie betteln und stehlen“, geben Kriminalbeamte aus Mannheim vor Gericht zu Protokoll und beziehen das auf 70 bis 100 Personen, die sich so ihren Lebensunterhalt verdienen sollen, systematisch und strukturiert. Um Beute zu machen, schwärmen die Clans in die Region aus, zum Teil mit Frauen und Kindern, so die Polizei. Auch in Mörlheim sollen sie schon auf Betteltour gewesen sein. Die alte Dame lebte im letzten Haus am südlichen Ortsrand. Weil sie nach Rumänien wollten und Geld brauchten, sollen vier Männer in der Nacht zum 19. Mai 2016 mit dem Auto von Mannheim nach Mörlheim gefahren sein. Während ein 27-Jähriger, der zurzeit wegen eines anderen Delikts in Trier inhaftiert ist, den Einbruch betrunken im Auto verschlafen haben soll, drangen die drei anderen über das Tor bis zur Haustür vor, wo sie klingelten oder klopften und die alte Frau weckten. So schildert es der 25 Jahre alte Angeklagte, der die Ermittler erst auf die Spur der Männer brachte. Er wurde am Mannheimer Hauptbahnhof verhaftet, der 30-Jährige in Rumänien festgesetzt und ausgeliefert. Der vierte Mann wurde auf Bewährung aus dem Knast entlassen und hat sich laut dem Vorsitzenden Richter Urban Ruppert nach Rumänien abgesetzt. Die Angeklagten zeigen im Prozess keine Reue. Der 25-Jährige entschuldigt sich zwar bei der Familie, will sich aber nicht die Hände schmutzig gemacht haben. Er habe die Frau zweimal getreten, mehr nicht. Vor Gericht winselt er um Gnade: „Ich war gezwungen zu klauen, musste meine Kinder unterhalten. Wir haben im Schlamm geschlafen.“ Der erste Anhaltspunkt für die Ermittler war ein dunkles Haar, das im Schlafzimmer des Opfers gefunden worden war. Die DNA-Analyse führte zu einer 25-Jährigen, die in Rumänien verhaftet und an die deutschen Behörden ausgeliefert wurde. Sie ist die Lebensgefährtin des jüngeren Angeklagten. Das Haar sei vom Pullover, den er getragen habe, auf das Bett gefallen, versichert der Mann später der Polizei. Die Ermittlungen gegen die Frau werden eingestellt, sie wird wenig später vom Amtsgericht Frankenthal wegen Bandendiebstahls zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Im Prozess spielt sie dennoch eine Rolle, denn Schokoladenbrösel auf einem Tisch im Wohnzimmer, die Puppe und der Teddy – Sammlerstücke der 86-Jährigen – auf dem Boden und ein Fernseh-Kanal, der auch Kindersendungen zeigt, machen die Polizei stutzig. Die Töchter und Söhne des Opfers sind überzeugt, dass Kinder oder eine Frau als „Türöffner“ dabei gewesen sind, denn ihre Mutter sei sehr vorsichtig gewesen und hätte niemals fremden Männern geöffnet. Es würde zu der Masche passen, mit der die Bande hausieren geht. Der 25-Jährige streitet ab. Überhaupt steht dieser Mann im Mittelpunkt der Verhandlung, die am 23. Januar begonnen hat. Denn der ältere Angeklagte schweigt sich aus. Mit den wenigen Worten, die er spricht, beteuert er mit Hinweis auf den lieben Gott als Zeugen seine Unschuld oder verurteilt den Mitangeklagten dafür, was dieser ihm und der alten Frau angetan habe. „Schämst du dich nicht?“, ruft er, als die Fotos der Toten gezeigt werden. Obwohl er noch nie im Haus gewesen sein will, stellt die Spurensicherung am Fenstersims seine DNA sicher. Auf einem Blitzerfoto, das auf dem Heimweg geschossen wurde, ist der Mann nicht so deutlich auszumachen. Die Beute aus dem Überfall, fünf bis acht Goldringe und ebenso viele Goldketten, brachte in einem Pfandhaus übrigens 140 Euro ein.

x