Wirtschaft Wirtschaftsklima wird rauer

Wirtschaftsforscher erwarten ein gebremstes Wachstum der deutschen Exporte. Unser Bild zeigt den Jade-Weser-Port in Wilhelmshave
Wirtschaftsforscher erwarten ein gebremstes Wachstum der deutschen Exporte. Unser Bild zeigt den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven.

«München/Essen». Das Münchner Ifo-Institut und das Essener RWI-Institut – zwei führende Wirtschaftsforschungseinrichtungen – schätzen die deutschen Konjunkturaussichten erheblich pessimistischer ein als noch im Frühjahr.

Die Münchner senkten ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr von 2,6 auf 1,8 Prozent. Für 2019 wurde sie von 2,1 auf ebenfalls 1,8 Prozent zurückgenommen. „Die Wirtschaft hat sich in den ersten Monaten des Jahres deutlich schlechter entwickelt als gedacht“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Am deutschen Konjunkturhimmel brauen sich derzeit kräftige Gewitterwolken zusammen.“ So dürften die Exporte in diesem Jahr nicht mehr so kräftig zulegen wie im vergangenen Jahr, ebenso der private Konsum und die Investitionen. Das per Umfrage unter Tausenden Managern ermittelte Ifo-Geschäftsklima ist in diesem Jahr zurückgegangen, während die weltwirtschaftlichen Risiken etwa durch den Handelskonflikt mit den USA deutlich zugenommen haben. „Gleichwohl glauben wir, dass sich der deutsche Aufschwung fortsetzt, wenn auch nicht in demselben Tempo wie 2017“, sagte Wollmershäuser. Die Anzahl der Arbeitslosen soll weiter sinken und 2019 mit 2,2 Millionen um rund 300.000 niedriger liegen als 2017. „Die Anzahl der Erwerbstätigen dürfte neue Rekorde erzielen“, betonte das Ifo-Institut. 2019 sollen es gut 45,2 Millionen sein – fast eine Million mehr als 2017. Der Staatsüberschuss soll in beiden Prognosejahren bei jeweils rund 38,0 Milliarden Euro liegen. Der viel kritisierte Überschuss in der Leistungsbilanz dürfte sich auf 267 und 268 Milliarden Euro belaufen, was 7,9 und 7,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspräche. Auch das Essener RWI-Institut senkt seine Prognose für die deutsche Wirtschaft deutlich. Die Konjunktur werde 2018 wohl nur um 1,8 Prozent anziehen und nicht wie bisher erwartet um 2,4 Prozent, wie die Forscher und Regierungsberater mitteilten. Für 2019 rechnen sie mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 1,5 statt 1,9 Prozent. Ursachen hierfür seien schlechtere Exportaussichten wegen staatlicher Abschottungsmaßnahmen etwa der USA. Zudem seien die Firmen verunsichert durch die unklare Zukunft der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU vor dem Hintergrund des Brexit. Am Arbeitsmarkt sorgt die erwartete schwächere Konjunktur laut RWI dafür, dass sich der Beschäftigungsaufbau verlangsamt und die Arbeitslosigkeit nur noch wenig sinkt. Insbesondere am Bau und im Pflegebereich bestehe zwar Arbeitskräftebedarf. Dieser werde jedoch häufig durch Zuwanderung gedeckt. Der Aufschwung der Binnenwirtschaft bleibt dem RWI zufolge aber intakt. Die Bauinvestitionen steigen demnach weiter kräftig und die privaten Konsumausgaben profitieren von der Job-Sicherheit und höheren Löhnen. Der staatliche Haushaltsüberschuss dürfte 2018 um rund 3 Milliarden Euro auf gut 41 Milliarden Euro steigen. Grund dafür seien höhere Einnahmen dank der anhaltend guten Lage am Arbeitsmarkt. Ungeachtet der befürchteten Eintrübung des Wirtschaftsklimas hat sich die deutsche Industrie ein dickes Auftragspolster gesichert. Die Reichweite lag im April unverändert bei 5,6 Monaten, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Selbst wenn von heute auf morgen kein Neugeschäft mehr zustände käme, könnten die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes theoretisch knapp ein halbes Jahr weiter produzieren, ohne Umsatzeinbußen hinnehmen zu müssen. Eine größere Reichweite gab es noch nie seit Beginn der Statistik 2015. Kommentar

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