Wirtschaft Vorname Bahnchef bleibt hängen

Die Ludwigshafener Werkstatt der kurz zuvor erfolgreich gestarteten S-Bahn Rhein-Neckar besuchte Hartmut Mehdorn im Februar 2004
Die Ludwigshafener Werkstatt der kurz zuvor erfolgreich gestarteten S-Bahn Rhein-Neckar besuchte Hartmut Mehdorn im Februar 2004.

TV-Entertainer Harald Schmidt sagte einmal nur halb im Scherz, viele hielten Bahnchef für Mehdorns Vornamen. Auch heute ist Hartmut Mehdorn, der übermorgen 75 wird, immer noch vor allem als früherer Bahnchef bekannt.

Dabei verbrachte Mehdorn nur gut neun Jahre seines langen Managerlebens bei der Deutschen Bahn (DB). Er stammt aus der Flugzeugindustrie und kehrte nach seinem unrühmlichen Abgang 2009 bei der DB wegen einer Datenaffäre in die Luftfahrtbranche zurück – von September 2011 bis Januar 2103 als Chef der krisengeplagten Luftverkehrsgesellschaft Air Berlin und ab März 2013 für zwei Jahre als Chef der für den Desaster-Flughafen BER verantwortlichen Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FFB). Beiden Fällen war gemeinsam, dass der Karren dort so tief im Dreck steckte, dass kein anderer prominenter Top-Manager bereit war, sich diesen Job anzutun als der wegen des schlechten Abgangs als Bahnchef nach öffentlicher Rehabilitierung strebende Mehdorn. In beiden Fällen blieb Mehdorn aber der erhoffte Erfolg versagt. Im Mai 2015 verabschiedete er sich in den Ruhestand. Mehdorns schönste Jahre waren wahrscheinlich die als Chef der Heidelberger Druckmaschinen AG. Nach einer Karriere beim Airbus-Hersteller Dasa schien Mehdorn zeitweise prädestiniert, Nachfolger des späteren Daimler-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp als Chef des Luft- und Raumfahrtkonzerns Dasa zu werden. Nachdem er sich mit Schrempp überworfen hatte, wechselte Mehdorn 1995 auf den Chefsessel des Druckmaschinen-Weltmarktführers in Heidelberg. Als Heidelberg-Chef war Mehdorn ungewöhnlich beliebt und hoch angesehen. Seine Erfolgsgeschichte in Heidelberg wirkt heute im Rückblick allerdings nicht mehr so glänzend wie damals, weil manche Erfolge in den Zeiten guter Konjunktur später in einem anderen Licht erschienen. Vieles, was Mehdorn verändert hatte, wurde später wieder rückgängig gemacht. Nach seinem Wechsel von Heidelberg auf den DB-Chefsessel wandelte sich in der Rhein-Neckar-Region Mehdorns Image innerhalb weniger Monate radikal vom Starmanager zur Hassfigur wegen seiner Pläne, eine ICE-Strecke zu bauen, die am Mannheimer Hauptbahnhof vorbei führte. Öl ins Feuer goss Mehdorn noch durch den Satz, ein ICE könne nicht jede Milchkanne mitnehmen, der sich zwar eigentlich gar nicht auf Mannheim bezog, in einer von leichter Hysterie geprägten Stimmungslage in Mannheim aber dennoch hohe Wellen schlug. Der Streit um den Mannheimer ICE-Bypass wurde schließlich zum fast idealtypischen Beispiel dafür, dass Mehdorn zu oft mit dem Kopf durch die Wand wollte und dann manchmal gar nichts erreichte. Einen großen Teil seiner Energie als DB-Chef steckte Mehdorn in den Aufbau eines weltweit aktiven Logistikkonzerns, den er an die Börse bringen wollte. Während der Kauf der früheren Bundesbahn-Logistiktochter Schenker noch auf breite Zustimmung stieß, verzettelte sich Mehdorn als DB-Chef später immer mehr in Projekten abseits des Schienenverkehrs – zeitweise wollte er die Hamburger Hafengesellschaft kaufen und den (zur Schließung bestimmten) Berliner Flughafen Tempelhof betreiben. Mehdorns Börsenpläne scheiterten schließlich 2008 an der internationalen Finanzkrise. Seitdem gilt das Thema DB-Börsengang als politisch verbrannt, zumal nach Mehdorns Abgang mehr und mehr Kollateralschäden seiner Kostensenkungsaktionen deutlich wurden – am spektakulärsten 2009 durch das Desaster bei der Berliner S-Bahn. Dagegen gehört die S-Bahn Rhein-Neckar zweifelsohne zu den besonders positiven Aspekten von Mehdorns Wirken als DB-Chef. Er ermöglichte es, dass die neue S-Bahn als eine Art Start-up auf der grünen Wiese geplant werden konnte und die Architekten dieses Start-ups ihre Planungen dann auch selbst in die Tat umsetzen konnten. Mehdorn hatte deshalb erheblichen Anteil daran, dass die S-Bahn nach jahrzehntelangen Verzögerungen schließlich Ende 2003 einen weitgehend reibungslosen Start hinlegte und sich schnell als großer Erfolg erwies. Ein schwerer Fehler war dagegen die Aufgabe der Interregio-Züge, unter der gerade auch die Pfalz zu leiden hatte. Bei diesem Thema zeigte sich ebenso wie beim 2003 gescheiterten Preissystem, dass Mehdorns Weltbild viel stärker als für einen Bahnchef gut ist, durch die Luftfahrtbranche geprägt war.

x