Wirtschaft Siemens-Tochter für Medizintechnik geht an die Börse

Der Konzern will voraussichtlich noch vor Ostern groß Kasse machen

Ungeachtet der jüngsten Börsenturbulenzen gibt Siemens den Startschuss für sein Medizintechnik-Geschäft. „Siemens Healthineers ist jetzt bereit für sein Börsendebüt“, sagte der Siemens-Vorstand und Aufsichtsratschef der Medizintechnik-Tochter, Michael Sen. Das solle im ersten Halbjahr 2018 per Zweitplatzierung von Aktien aus dem Besitz der Muttergesellschaft Siemens an der Frankfurter Börse erfolgen, wenn auch vorbehaltlich von Kapitalmarktbedingungen. Das bedeutet zweierlei. Erstens kann jetzt nur noch ein Börsencrash den mutmaßlich größten Börsengang in Deutschland seit dem der Deutschen Telekom 1996 verhindern. Zweitens wird dieser Schritt wohl noch vor Ostern erfolgen. Denn internationale Praxis sei es, dass sich an eine formelle Ankündigung zum Börsengang wie der jetzigen von Siemens Healthineers eine zweiwöchige Periode anschließe, in der begleitende Banken auf Investorensuche gingen, sagen Finanzmarktexperten. Nach dieser Marketingphase folgen dann üblicherweise weitere zwei Wochen, die der Preisfestsetzung für die jeweilige Aktie dienen. Damit könnte die Siemens-Tochter Mitte bis Ende März aufs Parkett gehen. „Siemens meint es ernst“, kommentierte ein Börsianer die Ankündigung. Das Kapital der weltweit 48.000 Mitarbeiter beschäftigenden und knapp 14 Milliarden Euro per anno umsetzenden Tochter wird beim Börsengang nicht erhöht. Siemens will lediglich vorhandene eigene Healthineers-Papiere versilbern, und zwar einen „bedeutenden Minderheitenanteil“, wie es nun offiziell noch etwas vage heißt. Im Börsenjargon wird damit ein Anteil von 15 bis 25 Prozent bezeichnet. Da Analysten Siemens Healthineers mit Sitz in Erlangen einen Wert von 30 bis 40 Milliarden Euro zuschreiben, könnten Siemens damit bis zu 10 Milliarden Euro zufließen. Der Börsenkandidat selbst ginge bei diesem Prozedere leer aus. Siemens will die Healthineers-Anteile vorzugsweise institutionellen Anlegern andienen. Als Volksaktie wie seinerzeit bei der Deutschen Telekom wird das Papier nicht beworben. Siemens will zudem langfristig die Mehrheit der Erlanger behalten. Langfristig bezeichnet im Managementjargon Zeiträume von fünf bis acht Jahren. Ein Grund für diese bleibende Verbundenheit ist die Bedeutung der Tochter für die Mutter. Im Geschäftsjahr 2016/17 (30. September) hat die Medizintechnik für ungefähr ein Sechstel aller Konzernumsätze und für über ein Viertel der operativen Gewinne gesorgt. Absolut waren das 2016/17 rund 2,5 Milliarden Euro, was einer operativen Umsatzrendite von gut 18 Prozent entspricht. In dieser Hinsicht wird die Medizintechnik nur noch von der Siemens-Division Digitale Fabrik leicht übertroffen. Im ersten Geschäftsquartal 2017/18 von Oktober bis Dezember ist die Marge allerdings unter – immer noch beachtliche – 17 Prozent gesunken und auch das Wachstum von Umsatz sowie Auftragseingang war mit 2 Prozent eher mager. Siemens ködert potenzielle Healthineers-Anleger mit perspektivisch überdurchschnittlichem Wachstum der Geschäfte und hohen Dividendenversprechen. Gut die Hälfte der künftigen Jahresüberschüsse von Healthineers sollen an Aktionäre ausgeschüttet werden. Die Medizintechnik, wo der Börsenkandidat bei Großgeräten wie Magnetresonanz- oder Computertomografen den Weltmarkt anführt und auch bei Labordiagnostik vorne mitspielt, ist in einem tiefgreifenden Umbruch. Zum einen hält auch hier moderne Digitaltechnik rasant Einzug, die Roboter in Operationssäle bringt und die detailgenaue Simulation einer OP am Computer erlaubt. Zum anderen schließen sich Hospitäler zu immer größeren Krankenhausketten zusammen, was für ein neues Machtverhältnis zwischen Medizintechnikanbietern und ihren Großkunden sorgt. Das bringt auch mit sich, dass Healthineers & Co künftig immer öfter nicht mehr für einzelne Anwendungen wie ein Röntgenbild, sondern für erreichte Behandlungserfolge bezahlt werden. Das Geschäftsmodell ändert sich auch durch intelligente Analyse von Patientendaten. Das bringt neue Wettbewerber in Form von datensammelnden Internetriesen wie Google ins Spiel. Als Zockerpapier sehen Analysten die Healthineers-Aktie zwar nicht. Vergangene Erfolge einfach in die Zukunft fortschreiben könne man aber nicht, sagen Experten. Kommentar

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