Landwirtschaft Schmusekurs der Ministerien: Allianz zwischen Umwelt und Agrar

Keine Kräfte mehr verpulvern im Tauziehen der Ressorts: Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Ce
Keine Kräfte mehr verpulvern im Tauziehen der Ressorts: Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne).

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihr Parteikollege und Bundesagrarminister Cem Özdemir streben gemeinsam eine Neuausrichtung in der Landwirtschaft an. Das Agrar-Bündnis „Wir haben es satt“ hat für kommenden Samstag weitere Proteste für einen Systemwechsel in der Landwirtschaft angekündigt.

„Diese Regierung ist angetreten als Fortschrittsbündnis für Gerechtigkeit, für Freiheit, für Nachhaltigkeit und für eine klimaneutrale, nachhaltige Zukunft. Auch in der Landwirtschaft wollen wir einen neuen Aufbruch anstoßen“, sagte Lemke am Dienstag zum Auftakt des ersten virtuellen Kongresses der beiden Ministerien zu Agrar- und Ernährungsfragen. Mit Özdemir wolle sie eine „neue strategische Allianz“ zwischen Umwelt und Landwirtschaft begründen, die auch den Verbrauchern zugute komme.

Als besondere Schwerpunkte nannte sie etwa den Schutz der Artenvielfalt und die Bewahrung von Mooren und Wäldern im Sinne eines natürlichen Klimaschutzes. Bis Ostern kündigte Lemke Eckpunkte für ein „Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz“ an. Zur neuen Zusammenarbeit gehöre auch ein „umwelt- und naturverträglicherer“ Einsatz von Pestiziden, sagte Lemke. Bis Ende 2023 wolle Deutschland das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat vom Markt nehmen.

„Eine neue Art Hausfreundschaft“

Auch für eine Neuausrichtung der EU-Fördermittel für Landwirte wollen sich beide Ministerien nach eigenen Angaben einsetzen. Das Fördergeld der EU dürfe nicht wie bisher nur nach Betriebsgröße fließen, sondern müsse stärker daran gekoppelt sein, ob ein Landwirt natur- und umweltfreundlich wirtschafte, sagte Lemke.

„Diese Wege werden wir künftig gemeinsam gehen“, betonte Agrarminister Özdemir. „Wir begründen heute eine Art Hausfreundschaft, nämlich dass diese zwei Häuser (...) künftig eben in der Bundesregierung befreundete Häuser sind“, sagte der Grünen-Politiker. In der vergangenen Legislaturperiode hatte es immer wieder Interessenkonflikte zwischen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Lemkes Vorgängerin Svenja Schulze (SPD) gegeben.

Die Zeit sei reif, Landwirtschaft, Natur, Umwelt und Klimaschutz endlich unter einen Hut zu bekommen, sagte Özdemir. Dass die Regierung ihre Kräfte im Tauziehen der Ressorts verpulvere, solle ein für alle Mal der Vergangenheit angehören. Özdemir betonte zugleich, dass ein sicheres und gutes Einkommen, aber auch gesunde Lebensmittel für alle gewährleistet werden müssten.

Kritik an Marktmacht der Handelsketten

Das Agrar-Bündnis „Wir haben es satt“ will auch in diesem Jahr in Berlin für einen Systemwechsel in der Landwirtschaft demonstrieren. Bis zu 30 Traktoren sollen am kommenden Samstag durch das Regierungsviertel fahren, wie das Bündnis am Dienstag mitteilte. Vertreter des Zusammenschlusses wollen ihre Forderungen anschließend an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben.

Hauptkritikpunkte des Bündnisses sind die Marktmacht der großen Einzelhandelsketten mit Preisen, die die Produktionskosten nicht deckten, sowie die Ausrichtung der deutschen und europäischen Agrarindustrie auf den Weltmarkt. Träger des Bündnisses sind Vertreter ökologisch und konventionell wirtschaftender Bauern, Natur-, Umwelt- und Tierschutzverbände sowie kirchliche Hilfswerke. „Die vergangenen 16 Jahre Agrarpolitik waren geprägt von Stillstand und Reformstau“, sagte Martin Hofstetter, Agrarexperte bei der Umweltorganisation Greenpeace, die dem Bündnis angehört.

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