Wirtschaft Mobilfunkmarkt im Umbruch

91-95990778.jpg

Bonn. Der Mobilfunkmarkt gilt längst als gesättigt. Wurde der Kampf um Marktanteile lange Zeit über aggressive Preisattacken geführt, kommt die Talfahrt der Tarife allmählich ans Ende. Ob der Wegfall der Gebühren fürs Surfen durch fremde EU-Netze die Kunden entlastet, ist fraglich.

Wer auf dem deutschen Mobilfunkmarkt nach attraktiven und vergleichbaren Preisangeboten Ausschau hält, findet ein Tarif-Wirrwarr. Es gibt praktisch kein Massengut auf dem deutschen Markt, das annäherend solche Leistungs- und Preisunterschiede aufweist wie Handytarife. Volumentarife oder Flatrates, mit oder ohne SMS, Datenautomatik oder Drosseltarif, mobiles TV, Kurz- oder Langzeitverträge, Prepaid oder Postpaid – die Möglichkeiten sind vielfältig. Das nutzt die Branche offenbar als Hebel, um auf dem gesättigten Markt Erlösquellen zu sichern. Dabei gelten die Mobilfunkpreise in Deutschland, vor allem bei den angebotenen Datenvolumen, als nach wie vor sehr hoch. Am 15. Juni kommt eine Neuerung hinzu. Das EU-weite Roaming wird ab diesem Tag kostenfrei. Es geht dabei um jene Gebühren, die anfallen, wenn Mobilfunkkunden im EU-Ausland zum Handy greifen und fremde Netze benutzen. Zwar müssen auch künftig Roaming-Kosten bezahlt werden, aber es sind nicht mehr die Endkunden, die zur Kasse gebeten werden – im Prinzip. „Es ist völlig unklar, was nach dem 15. Juni passiert“, sagt Susanne Blohm, Referentin für Digitales und Medien beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Vergleichsportale wie etwa Verivox.de sehen bereits eine Preiswende am Mobilfunk-Himmel heraufziehen. Anbieter wie Telekom und Telefónica bieten aber schon längst EU-Roaming als Inklusivleistung an. Dafür wurden die Tarife leicht verteuert. Entfallen nun die Roaminggebühren und die Tarife werden nicht wieder billiger, kommt das einer indirekten Preiserhöhung gleich. Der Kostenfaktor Roaming, argumentiert Verivox, werde aufs Inland verlagert. Folge: Nichtreisende und Geringverdiener zahlten am Ende die Zeche für jene, die im Ausland fremde Netze benutzten. Einige Discount-Anbieter sind bereits dazu übergegangen, rein nationale Tarifmodelle zu entwickeln, die die Auslandsnutzung ausschließen. Arbeit kommt auf Mobilfunker zu, die sich bei den großen Betreibern mit Netzkapazitäten eingedeckt haben. Sie müssen bei der Rechnungsstellung ihre Tarife anpassen. „Die Kunden werden von uns rechtzeitig per Mail oder SMS informiert“, versichert ein Freenet-Sprecher. Mit zwölf Millionen Kunden gehören die Norddeutschen zu den größten netzunabhängigen Betreibern. Dass das kostenlose Roaming in der EU die Mobilfunkpreise einebnen wird, steht offenbar nicht zu erwarten. Zu unterschiedlich ist das Preisniveau in den Mitgliedsländern. Zugleich verschlingen die Kosten für den Netzausbau viel Geld, das verdient werden muss. In Deutschland hat zudem die Übernahme von E-Plus durch Telefónica den Wettbewerb eher erlahmen lassen. Statt Preise zu senken, zeige sich die Tendenz, immer mehr Leistungen in die Tarife zu packen, obwohl die Kunden diese oft gar nicht benötigten, sagt ein Marktbeobachter. Das sieht Telekom-Experte Thorsten Gerpott, Professor an der Universität Duisburg-Essen, ähnlich: „Es gilt: mehr Leistung fürs gleiche Geld“.|dpa

x