Wirtschaft Ludwigshafen: Die BASF-Pannenfabrik und der Einkauf

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Beim Desaster der BASF mit der neuen TDI-Anlage spielt offenbar auch eine neue Strategie zum Einkauf technischer Teile eine wichtige Rolle.

Dem Ludwigshafener Chemie-Weltmarktführer ist es, wie mehrfach berichtet, bisher nicht gelungen, das größte Investitionsprojekt seiner bald 152-jährigen Geschichte dauerhaft zum Laufen zu bringen. Die Kosten des Ludwigshafener Projekts, die einst mit gut 1 Milliarde Euro beziffert worden sind, dürften inzwischen deutlich gestiegen sein. Nach den ursprünglichen Plänen sollte die TDI-Anlage mit einer Kapazität von 300.000 Jahrestonnen gleichzeitig mit einer gleich großen Fabrik des Wettbewerbers Covestro in Dormagen Ende 2014 in Betrieb gehen. Während die TDI-Anlage der Bayer-Tochter Covestro planmäßig Mitte Dezember 2014 startete, kämpft die BASF in Ludwigshafen immer noch mit technischen Problemen. Neben gestiegenen Kosten durch die vielen Nachbesserungen und Reparaturen der neuen Anlage muss der Ludwigshafener Konzern auch Einbußen bei Gewinnen und Umsätzen hinnehmen, weil die neue Riesenfabrik stillsteht. Mitte Februar griff die BASF in der Not zu einer Übergangslösung, um die TDI-Anlage wenigstens mit reduzierter Kapazität zum Laufen zu bringen. Der defekte Reaktor des TDI-Vorprodukts Phosgen wurde durch eine kleinere vom belgischen BASF-Standort Antwerpen herangeschaffte Reserveanlage ersetzt. Außerdem soll ein neuer Reaktor bestellt werden. Es werde noch einige Zeit dauern, bis die TDI-Anlage mit dem Übergangsreaktor in Betrieb genommen werde, ist aus dem Unternehmen zu hören. TDI ist ein flüssiger Kunststoff, der zu Polyurethan weiterverarbeitet wird. Aus Polyurethan werden Schaumstoffe für viele Produkte wie Matratzen, Sitzpolster und Isoliermaterialien hergestellt. Phosgen wiederum ist ein hochgiftiges Gas, das im Ersten Weltkrieg als Kampfstoff eingesetzt wurde. Das bei der Ludwigshafener Anlage angewendete Verfahren sei bewährte Technologie, die das Unternehmen schon an mehreren anderen Standorten nutze, sagte ein leitender BASF-Ingenieur Anfang 2012 im Interview mit der Fachzeitschrift „Chemietechnik“. Neu sei aber, dass die BASF in diesem Fall globaler einkaufe als bisher. Als Stichwort nannte er „best cost country sourcing“. Das bedeutet Teilebeschaffung in dem Land mit den günstigsten Kosten. Die BASF sei vom Ausmaß der Probleme bei zugelieferten Teilen überrascht worden, sagte Konzernchef Kurt Bock kürzlich. So seien Pumpen von Lieferanten aus Europa reihenweise ausgefallen, so Bock. Gerade diese Pumpen seien von bewährten Herstellern hauptsächlich aus Deutschland und der Schweiz geliefert worden, die einer strengen Qualitätsprüfung unterlägen, sagte der Ludwigshafener Werkleiter Uwe Liebelt der RHEINPFALZ. Den defekten Phosgen-Reaktor habe ein renommierter europäischer Hersteller geliefert, so die BASF. Den Namen nennt das Unternehmen nicht. Das Konzept des „best cost country sourcing“ ziele darauf, in internationalisierten Märkten hohe Qualität zu angemessenen Preisen einzukaufen, sagte ein BASF-Sprecher. Das sei inzwischen branchenweit gängige Praxis. BASF-Chef Bock sagte, er glaube nicht, dass beim Bau der TDI-Anlage irgendwo an falscher Stelle gespart worden sei. Die Entscheidung des BASF-Vorstands für den Bau der aus elf Einzelanlagen bestehenden TDI-Fabrik in Ludwigshafen fiel im Januar 2012. Zwei Monate später sagte der damalige Chef des BASF-Ingenieurwesens in dem erwähnten Interview, der Zeitplan sei „sehr herausfordernd“. Doch in Ludwigshafen habe der Konzern seine „kritische Masse“, den großen Verbund von verschiedenen Chemieanlagen. Hier könne das Unternehmen seine eingespielten Partner und Fremdfirmen vor Ort einsetzen. Einen solchen Terminplan könnte die BASF anderswo nicht schaffen, so der Manager. In Ludwigshafen hat es nun aber auch nicht geklappt. Zeitweise arbeiteten bis zu 2000 Mitarbeiter von Fremdfirmen – sogenannten Kontraktoren – auf der TDI-Baustelle. Einer der größten war der US-Konzern Fluor Corporation, der Anfang 2013 mitgeteilt hat, dass sich das Unternehmen einen Vertrag für technische Planung, Beschaffung und Bauleitung (Engineering, Procurement an Construction Management) gesichert habe. Der US-Konzern mit gut 60.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 19 Milliarden Dollar (18 Mrd Euro) leitete das BASF-Projekt von seinem Standort im niederländischen Haarlem aus mit Unterstützung aus dem polnischen Gliwice. Mehr als 800 Fluor-Mitarbeiter waren am Bau der BASF-Anlage beteiligt.

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