Wirtschaft Glyphosat-Urteil in USA verschreckt Bayer-Anleger

«Frankfurt». Für Bayer droht der teuerste Zukauf in der Firmengeschichte zum Milliardengrab zu werden. Ein Gericht in Kalifornien verurteilte die US-Tochter Monsanto zu einer Schadenersatzzahlung von 289 Millionen Dollar (254 Mio Euro) an einen an Krebs erkrankten Mann, der seine Diagnose auf das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat zurückführt.

Der US-Saatgutriese, der von Bayer kürzlich für rund 63 Milliarden Dollar übernommen wurde, sieht sich mehr als 5000 ähnlichen Klagen in den USA gegenüber. „Das ist das erste Urteil, auf das alle geschaut haben“, sagte gestern der Anwalt einer Frankfurter Großkanzlei. „Wenn es weitere Urteile gibt, die aufrechterhalten werden, gehe ich davon aus, dass wir in einem einstelligen Milliarden-Bereich landen werden.“ Zudem drohen Monsanto Umsatzeinbußen, sollten Landwirte Produkte des Unternehmens nach dem Urteil meiden. Anleger nahmen Reißaus: Die Aktien des Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzerns brachen in der Spitze um fast 14 Prozent auf ein Fünf-Jahres-Tief von 80,37 Euro ein und waren größter Verlierer im Dax. Bayer büßte damit mehr als 10 Milliarden Euro an Börsenwert ein, das entspricht in etwa der gesamten Marktkapitalisierung der Commerzbank. „Das sorgt für massive Unsicherheit“, sagte ein Händler. Nach Einschätzung von Analyst Bernhard Weininger von Independent Research haben die Rechtsrisiken von Bayer als Monsanto-Mutter mit dem Urteil zugenommen, und auch die finanziellen Risiken seien mit Blick auf mögliche Vergleichszahlungen zur Vermeidung langwieriger gerichtlicher Auseinandersetzungen gestiegen. Gleichwohl handele es sich um einen Einzelfall, und ein anderes Gericht in den USA habe bei der Zulassung mehrerer Klagen die Beweislage als vermutlich zu zweideutig eingeschätzt, um Glyphosat als Grund der Krebserkrankungen auszumachen. Das kalifornische Geschworenengericht sah es hingegen als erwiesen an, dass Monsanto es versäumt habe, den an Krebs erkrankten Mann und andere Verbraucher vor den Risiken seiner Unkrautvernichter zu warnen. Der ehemals als Platzwart an einer kalifornischen Schule tätige Dewayne Johnson hatte bis zu 30 Mal im Jahr Glyphosat eingesetzt. Der 46-Jährige warf dem Unternehmen vor, durch das Mittel an Lymphdrüsenkrebs erkrankt zu sein. Monsanto kündigte Berufung gegen das Urteil an. Das Unternehmen bestreitet, dass Glyphosat Krebs verursacht. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass die Chemikalie für den menschlichen Gebrauch unbedenklich sei. Bayer teilte mit, der Konzern sei davon überzeugt, „dass die Gerichte im weiteren Verfahrensverlauf zu dem Ergebnis kommen werden, dass Monsanto und Glyphosat für die Erkrankung von Herrn Johnson nicht verantwortlich sind“. Glyphosat zählt weltweit zu den meist verwendeten Herbiziden. Inzwischen wird Glyphosat auch von anderen Firmen hergestellt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte die Chemikalie 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Die US-Umweltschutzbehörde kam dagegen 2017 zu dem Ergebnis, dass die Chemikalie für Menschen wahrscheinlich nicht krebserregend sei. Laut Bundesumweltministerium gilt der Koalitionsvertrag, der festlegt, dass die Anwendung von Glyphosat in Deutschland grundsätzlich innerhalb dieser Legislaturperiode zu beenden ist. Der Ausstieg werde in Deutschland betrieben, weil Glyphosat die Artenvielfalt in der Natur beeinträchtige. „Und das ist unsere Hauptmotivation“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Aktienchart

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