Wirtschaft Die griechischen Verlierer

Nach der Einigung mit den Euro-Partnern über weitere Milliardenhilfen demonstriert die griechische Regierung Zuversicht. Obwohl die erhofften Schuldenerleichterungen weiter in der Schwebe sind, zog Ministerpräsident Alexis Tsipras gestern ein positives Fazit und feierte den Kompromiss als Erfolg.

„Es ist ein entscheidender Schritt für das Land auf dem Weg aus der Krise“, sagte Tsipras bei einem Treffen mit Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos. Außerdem sorge die Einigung mit den Geldgebern für Vertrauen an den Finanzmärkten. Während der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos am Donnerstag in Luxemburg vor dem entscheidenden Treffen der Euro-Gruppe Kompromissformeln im Schuldenstreit sondierte, versammelten sich mehrere Tausend Menschen auf dem Syntagmaplatz in Athen. Rentnerinnen und Rentner, aber auch viele Arbeitslose füllten den Platz vor dem Parlamentsgebäude. Vasiliki Papadopoulou und Agni Georgopoulou sind an diesem Vormittag mit dem Überlandbus aus dem 160 Kilometer entfernten Tripoli auf der Halbinsel Peloponnes nach Athen gekommen. Die beiden Rentnerinnen halten ein selbstgemaltes Plakat in die Höhe: „Hände weg von unseren Renten“ steht in großen roten Buchstaben auf dem Banner. Noch hat die Sitzung der Euro-Finanzminister gar nicht begonnen, aber Vasiliki Papadopoulou weiß, was dabei herauskommen wird: „Wir sind die Verlierer, wie immer“, sagt die 72-Jährige. Vor sieben Jahren ging die Gymnasiallehrerin in Pension. Knapp 1400 Euro Rente bekam sie damals. „Fünf Mal hat man mir die Bezüge seither gekürzt“, klagt die Frau, „heute bekomme ich 960 Euro.“ Nach Abzug der Steuern und der Ausgaben für Miete, Strom und Telefon bleiben der ehemaligen Lehrerin gerade mal 450 Euro im Monat. Ihre 73-jährige Freundin Agni, eine frühere Bankangestellte, bekam anfangs 2100 Euro Rente. Inzwischen hat sich ihr Ruhegeld auf 1080 Euro fast halbiert. Die Zusatzrente, für die sie 35 Jahre lang freiwillig Beiträge eingezahlt hat, sei sogar von 380 auf 130 Euro gekürzt worden, berichtet die Rentnerin. Ihr Fazit: „Sie haben unser Geld gestohlen!“ Sie, damit meint die Frau die Regierung von Alexis Tsipras. Jetzt kommen auf Millionen griechische Rentner neue Opfer zu. Um den Weg zu einer Einigung mit den Geldgebern zu ebnen, hatte Tsipras vor einer Woche im Eilverfahren binnen weniger Stunden ein weiteres Sparpaket durchs Parlament gepeitscht. Danach bleiben die bereits bis 2021 gedeckelten Renten nun auch 2022 eingefroren. Bereits drei Wochen zuvor hatte das Parlament Rentenkürzungen beschlossen, die ab Januar 2019 greifen sollen. Dabei leben schon jetzt viele alte Menschen an der Armutsgrenze. Von den knapp 2,9 Millionen griechischen Rentnern beziehen drei Viertel weniger als 1000 Euro im Monat. 1,2 Millionen müssen mit Netto-Bezügen von weniger als 500 Euro monatlich auskommen. Der Interessenverband „Netzwerk Vereinigte Rentner“ hat seit Beginn des Sparkurses 2010 bereits 22 Rentenkürzungen und Beitragserhöhungen dokumentiert. Mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen sind es 23. Neben den beschnittenen Bezügen zehren auch höhere Verbrauchs- und Einkommensteuern an der Kaufkraft der Rentner. „Uns bleibt immer weniger zum Leben“, klagt einer der Demonstranten auf dem Syntagmaplatz. Mit seiner Rente von 845 Euro muss der 66-Jährige nicht nur den eigenen Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch Sohn und Schwiegertochter durchbringen, die seit drei Jahren arbeitslos sind. Arbeitslosengeld wird in Griechenland maximal ein Jahr gezahlt, eine Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. Viele Langzeitarbeitslose leben deshalb von den Renten ihrer Eltern. Bessere Zeiten sind für die griechischen Rentner nicht in Sicht, im Gegenteil. Trotz der tiefen Einschnitte bei den Bezügen, höheren Beiträgen und der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wird das griechische Rentensystem auf absehbare Zukunft defizitär bleiben. Das liegt an der Arbeitslosenquote von derzeit knapp 23 Prozent und an der ungünstigen Bevölkerungsentwicklung.

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