Wirtschaft Deutsche-Bank-Chef angezählt

So langsam mache ihm sein Job wirklich Spaß, hat Deutsche-Bank-Chef John Cryan Anfang Februar gesagt. Glaubt man der Londoner Zeitung „The Times“, so dürfte die Freude nicht lange währen: Die Bank sei auf der Suche nach einem Nachfolger für den Briten, berichtet das Blatt ohne Angabe von Quellen.

Mit Richard Gnodde von der US-Investmentbank Goldman Sachs sei sogar schon ein möglicher Kandidat angesprochen worden, der aber kein Interesse habe. Hintergrund seien Konflikte zwischen Cryan und dem Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner. Von Achleitner kam zunächst keine Stellungnahme zu dem Bericht. Die Börse dagegen reagierte positiv: Der Aktienkurs der Deutschen Bank stieg gestern zeitweise um gut 3 Prozent. Viele Anleger, so scheint es, sind des seit 2015 amtierenden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, John Cryan, überdrüssig und würden seine Ablösung begrüßen. Kein Wunder: Seit Jahresbeginn hat die Deutsche-Bank-Aktie fast ein Drittel an Wert verloren. Es fing damit an, dass die Bank für das vergangene Geschäftsjahr erneut einen Verlust präsentierte. Zwar erwirtschaftete das Finanzinstitut vor Steuern einen Gewinn von 1,2 Milliarden Euro, US-Präsident Donald Trump brachte Cryan aber um die erhoffte Erfolgsmeldung für 2017: Wegen Trumps US-Steuerreform kann die Deutsche Bank frühere Verluste nicht mehr im bisherigen Ausmaß steuermildernd geltend machen. Unter dem Strich schrieb sie damit 2017 im dritten Jahr in Folge rote Zahlen. Wegen einer Neuberechnung sogenannter latenter Steueransprüche auch in Großbritannien betrug der Verlust letztlich rund 700 Millionen Euro. Die Erklärung für den Fehlbetrag wurde an den Börsen noch akzeptiert – zumal die Senkung der US-Körperschaftssteuer der Deutschen Bank künftig nützen wird. So richtig bergab ging es mit dem Aktienkurs erst, als Berichte über finanzielle Probleme des chinesischen Großaktionärs HNA die Runde machten. Der chinesische Mischkonzern reduzierte seinen Anteil an der Deutschen Bank im Februar von 9,9 auf 8,8 Prozent. Die HNA Group bleibt damit allerdings weiter der wichtigste Ankeraktionär des Frankfurter Geldhauses. In den vergangenen Tagen ging es dann Schlag auf Schlag. Erst verdarb Finanzchef James von Moltke den Anlegern die Laune, weil er über Probleme in der Investmentbanking-Sparte berichtete. Deren Ergebnisse würden im ersten Quartal wohl deutlich hinter dem Vorjahreszeitraum zurückbleiben. Obwohl das erste Quartal 2017 ein gutes war, warfen daraufhin zahlreiche Investoren die Deutsche-Bank-Aktie aus ihren Portfolios. Als nächstes sorgte IT-Chefin Kim Hammonds für Negativschlagzeilen: Auf einer Führungskräftetagung soll die Amerikanerin gesagt haben, die Deutsche Bank sei das „dysfunktionalste Unternehmen“, für das sie je gearbeitet habe. „Wenn derartige Äußerungen bekannt werden, kommt das natürlich nicht besonders gut rüber“, sagte der Bankenanalyst Philipp Häßler von Equinet der RHEINPFALZ. „Auf der anderen Seite könnte man aber auch positiv sehen, dass der Vorstand nicht alles schönredet.“ Aus Häßlers Sicht kommt die Debatte über eine Neubesetzung der Bank-Spitze zur Unzeit: „Cryan und seine Mannschaft senken die Kosten, haben das Kapital erhöht und arbeiten die Rechtsrisiken ab. Jetzt müssen sie natürlich zusehen, dass es auf der Ertragsseite wieder besser wird. Da muss man aber zumindest dieses Jahr noch abwarten – noch ist es meiner Meinung nach zu früh, über Cryan zu urteilen.“ Kommentar/Aktienchart

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