Kriminalität Das Geständnis auf Raten des früheren Audi-Chefs

Jahrelang hatte der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler seine Unschuld beteuert, seine Rolle als Aufklärer betont und gesagt, er
Jahrelang hatte der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler seine Unschuld beteuert, seine Rolle als Aufklärer betont und gesagt, er sei von seinen Technikern hinters Licht geführt worden.

Rupert Stadler will seinen Anteil am Diesel-Abgasbetrug bei Audi gestehen. Am 16. Mai soll es so weit sein. Noch werden Worte genau abgewogen. Denn es drohen hohe Schadenersatzforderungen.

Heute will es Richter Stefan Weickert wissen. Im Audi-Betrugsprozess um illegale Abschaltvorrichtungen bei der Diesel-Abgasbehandlung fehlt nur noch ein Geständnis des prominentesten Angeklagten Rupert Stadler. Gibt er zu, in seiner früheren Funktion als Audi-Chef keinen Verkaufsstopp für Autos mit Betrugssoftware verhängt zu haben, obwohl er davon wusste, sagt ihm Weickert eine Bewährungsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren zu, zu der noch 1,1 Millionen Euro Geldauflage kommen. Ins Gefängnis müsste er aber dann nicht. „Herr Stadler stimmt zu“, erklärt Strafverteidiger Thilo Pfordte am Mittwoch am Landgericht München im Namen seines Mandanten zum Vorschlag des Gerichts. Das Geständnis selbst gebe es aber erst am 16. Mai, wobei offen ist, ob Stadler selbst spricht oder es Pfordte überlässt.

Damit neigt sich ein sich seit zweieinhalb Jahren dahinschleppender Mammutprozess seinem nun absehbaren Ende zu. Es wäre der erste Strafprozess im VW-Dieselskandal, in dem ein Urteil gegen Topmanager gesprochen wird. Es ist auch das erste Mal, dass Vertreter dieser Riege gestehen, von den illegalen Machenschaften gewusst oder daran sogar beteiligt gewesen zu sein.

Weitere Geständnisse

Schon gestanden haben im Münchner Prozess der Audi-Ingenieur Giovanni P. und der frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz. Giovanni P. war einer der Abgastechniker, die die Betrugssoftware entwickelt haben und von Anfang an geständig. Hatz, der wie Stadler bis vor kurzem alle Vorwürfe abgestritten hatte, hat nicht nur bei Porsche, sondern auch bei Audi und Mutterkonzern VW gemanagt. Zeitweise war er für die Motorenentwicklung im gesamten VW-Konzern zuständig. Auch diese beiden können mit ihrem Geständnis auf eine Zusage des Gerichts vertrauen, nicht ins Gefängnis zu müssen, sondern wie Stadler mit eineinhalb bis zwei Jahren Bewährung nebst Geldauflage davonzukommen. Hatz war auf dieses Angebot umgehend eingegangen. Der 64-Jährige hat gestanden, die Entwicklung der bei Audi erfundenen und auch in Modelle der Konzernmarken VW und Porsche verbauten Betrugssoftware „veranlasst“ zu haben. Für jemanden, der anfangs von nichts gewusst haben wollte, ist das bemerkenswert. Dagegen müsste Stadler ein Geständnis vergleichsweise leicht über die Lippen kommen.

Denn ihm wird „nur“ vorgeworfen, nichts dagegen unternommen zu haben, dass Diesel-Autos mit Betrugssoftware weiterhin verkauft wurden, nachdem der Skandal publik geworden war. Über 434.000 Audis seien das ab dem Zeitpunkt gewesen, ab dem der 60-Jährige von der Abschaltvorrichtung wusste, sagt die Anklage. Betrug durch Unterlassung, muss der frühere Audi-Chef damit gestehen.

Aber er ziert sich seit Wochen, mutmaßlich weil ein Geständnis einen zivilrechtlichen Haken haben könnte und deshalb im Wortlaut genau formuliert werden muss. „Hier wird dreidimensionales Schach gespielt“, erklärt ein juristisch bewanderter Prozessbeobachter. Im laufenden Strafprozess käme Stadler beim verlangten Geständnis zwar glimpflich davon. Aber wenn er allzu offensiv gesteht, dafür verantwortlich zu sein, dass Hunderttausende Autos mit Betrugssoftware in Kenntnis dieses Umstands verkauft wurden, könne das die Tür zu neuen Schadenersatzklagen öffnen. Um welche Summen es hier potenziell geht, hat ein vom Gericht bestellter Gutachter ermittelt. 5 Prozent Wertminderung seien pro Fahrzeug anzurechnen, erklärte dieser. Der Prozentsatz enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Denn lege man schon abgeschlossene Zivilprozesse übervorteilter Autokäufer zugrunde, hätten Gerichte bisher stets auf eine Wertminderung zwischen 15 und 30 Prozent erkannt. Strafrechtlich sei eine Wertminderung von 5 Prozent deshalb das absolute Minimum, findet der Gutachter und rechnet an Beispielen vor, was das in absoluten Zahlen bedeutet. Weil die in Frage stehenden Autos durchweg hochpreisig waren, sind es jeweils mehrere tausend Euro.

Feilschen um Geldauflage

Folgt das Gericht dieser Berechnung, geht es bei über 400.000 Audis also um eine strafrechtlich relevante Schadenshöhe von mehreren hundert Millionen Euro. Das daraus ableitbare Drohpotential für eventuelle zivile Schadenersatzforderungen an die Adresse Stadlers liegt in einer Dimension, die auch vermögende Ex-Manager zweimal überlegen lässt, wie man ein Geständnis genau formuliert.

Andererseits darf es auch nicht so verdruckst sein, dass Staatsanwaltschaft und Gericht es nicht mehr als Geständnis anerkennen. Er erwarte ein „voll umfängliches Geständnis“, stellte Weickert klar. Das engt Formulierungsspielräume ein.

Schon um die vom Gericht verlangte Geldauflage wurde gefeilscht. Zwei Millionen Euro wollte die Staatsanwaltschaft von Stadler. Richter Weickert sieht 1,1 Millionen Euro als angemessen an. Auch das war Stadler erst zu viel. Nun hat er der Summe zugestimmt, zu der noch einmal rund eine Million Euro von ihm zu tragende Prozesskosten kommen. Darüber hinaus will der frühere Audi-Chef bei einem Geständnis aber keine weiteren Risiken eingehen.

Von ihrem früheren Arbeitgeber Volkswagen müssen Rupert Stadler und Wolfgang Hatz auch bei Geständnis und Verurteilung nichts mehr befürchten. Denn ein 2021 mit VW geschlossener Vergleich schließt finanzielle Nachforderungen auch für diesen Fall ausdrücklich aus. Stadler hatte sich damals mit VW, wo er auch im Vorstand saß, auf eine Zahlung von 4,1 Millionen Euro geeinigt. Im Fall von Hatz waren es 1,5 Millionen Euro.

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