Wirtschaft Brandsatz für den Welthandel

Die EU bereitet Reaktion auf die neuen Zölle der USA vor.
Die EU bereitet Reaktion auf die neuen Zölle der USA vor.

«Washington/München.» US-Präsident Donald Trump gibt sich siegessicher: „Handelskriege sind leicht zu gewinnen“, tönte er schon lange bevor er die Welt mit Schutzzöllen auf Stahl und Aluminium konfrontierte. Schlägt die EU zurück, droht Experten zufolge allerdings möglicherweise eine fatale Eskalation. Schon geht die Angst um, dass die Weltwirtschaft schweren Schaden nehmen könnte.

Das Münchner Ifo-Institut fürchtet nach der Verhängung der US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium eine Eskalation des Handelskonflikts. „Europa muss sich auf einen neuen kalten Krieg im Handel mit den USA einstellen“, sagte Ifo-Handelsexperte Gabriel Felbermayr. „Dieser Handelskonflikt ist eine wirtschaftliche Torheit, auch wenn der volkswirtschaftliche Schaden zunächst begrenzt bleibt. Denn es ist zu befürchten, dass wir erst am Anfang einer Reihe weiterer US-Maßnahmen stehen.“ Die Strafzölle verletzten die Regeln der Welthandelsorganisation WTO, kritisierte Felbermayr. Der Wissenschaftler empfahl der EU interne Einigkeit, den Schulterschluss mit den übrigen WTO-Mitgliedern – und bei Bedarf die Drohung, die USA an empfindlicher Stelle zu treffen: Gerade um den freien Handel zu verteidigen, müssten die EU und die anderen WTO-Mitglieder ihrerseits klar machen, wie sie bei weiteren Regelverletzungen reagieren würden. „Dabei müssen jene Wirtschaftszweige in den Mittelpunkt treten, in denen die Amerikaner im Ausland richtig Geld verdienen: die digitalen Dienstleistungen.“ US-Präsident Donald Trump scheine nicht zu sehen, dass die WTO auch US-Interessen schütze und die Daten der US-Behörden im Handel mit Europa kein Leistungsbilanzdefizit, sondern einen Überschuss auswiesen. „Er richtet sich also gegen die Falschen.“ Trump werde den real existierenden Protektionismus Chinas nicht eindämmen können. „Dafür sind die USA mittlerweile zu klein; auf sie entfallen nur noch etwa 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.“ Die von den USA auf Einfuhren von Stahl und Aluminium aus der EU verhängten Strafzölle sind seit gestern in Kraft. Es werden 25 Prozent bei Stahl und 10 Prozent bei Aluminium fällig. Sollten sich beide Seiten in einem „neuen kalten Krieg im Handel“ mit Vergeltung überziehen, sei eine Rezession nicht ausgeschlossen, warnt Ifo-Experte Felbermayr. Die Gefahr steige noch, wenn die als Wächterin des globalen Handels fungierende WTO „plattgemacht“ werde: „Wenn die Welthandelsorganisation als Folge des Streits auseinanderfallen würde, wäre das katastrophal.“ Laut WTO-Chef Roberto Azevedo hat der von Trump befeuerte Handelsstreit das Zeug dazu, das weltwirtschaftliche Wachstum abzuwürgen. Der Trump-Regierung, die sich den Slogan „Amerika zuerst“ auf die Fahnen geschrieben hat, ist die WTO ein Dorn im Auge. Handelsminister Wilbur Ross hat ihr vorgeworfen, den Exporteuren mehr Schutz zu gewähren als den Importeuren und Dumping Vorschub zu leisten. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ihre Prognose für das weltweite Wachstum in diesem Jahr bereits von 3,9 auf 3,8 Prozent nach unten revidiert und nennt bei den Risiken an vorderster Stelle eine drohende Eskalation der Handelsspannungen. Seit der Finanzkrise 2007 sind laut OECD in den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern bereits mehr als 1200 neue Handelsschranken eingeführt worden. Da die Weltwirtschaft heute wesentlich stärker vernetzt sei als in der Vergangenheit, könne der Aufschwung durch neue Hindernisse ausgebremst werden, so die Sorge der OECD. Die deutsche Industrie bringt offen Schutzzölle ins Gespräch, die Drittländer treffen würden. Sie fürchtet, dass das ebenfalls von den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium betroffene China mehr billigen Stahl auf den europäischen Markt werfen könnte und die hiesigen Hersteller damit stärker in Bedrängnis bringen würde. Genau hier – also im Ausufern des transatlantischen Handelsstreits auf Drittländer – sieht Ifo-Experte Felbermayr die Gefahr für die Wirtschaft in Deutschland und der Welt: „Es geht Trump nicht so sehr um Stahl und Aluminium, sondern es geht um eine Generalattacke gegen das multilaterale Handelssystem. Und wenn er dabei erfolgreich ist, dann ist plötzlich sehr viel mehr im Feuer.“ Bei einem Flächenbrand werde es auch für Deutschland teuer.

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