Kernenergie Atom-Ära in Neckarwestheim endet bald

Neckarwestheim II im Landkreis Heilbronn ist eines drei letzten deutschen Atomkraftwerke, die derzeit noch laufen.
Neckarwestheim II im Landkreis Heilbronn ist eines drei letzten deutschen Atomkraftwerke, die derzeit noch laufen.

Die Atomkatastrophe von Fukushima jährt sich 2022 zum elften Mal. Der Reaktorunfall an der japanischen Küste infolge eines Tsunamis war der Anfang vom Ende der Kernenergie in Deutschland. Als eines der letzten Atomkraftwerke geht Neckarwestheim II vom Netz. Nicht alle Fragen sind geklärt.

Drei Atommeiler sind derzeit noch am Netz: Isar II in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim II im Landkreis Heilbronn. Für letzteren ist der Karlsruher Energieversorger EnBW verantwortlich. Er muss das Atomkraftwerk bis spätestens Silvester abschalten. Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu.

Gibt es schon ein konkretes Abschaltdatum?
Nein. „Der Kraftwerksblock wird spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet“, sagte EnBW-Chef Frank Mastiaux der Deutschen Presse-Agentur. Das ist gesetzlich geregelt. „Aus technischen und organisatorischen Gründen legen wir das Datum mit etwas Vorlauf fest, aber sehr wahrscheinlich erst im vierten Quartal.“

Wie geht es nach dem Abschalten weiter?
Ziemlich schnell soll der Rückbau beginnen. Die Vorbereitungen dafür laufen laut Mastiaux schon auf Hochtouren. „Das ist nicht einfach nur Abschalten und dann ist es vorbei. Das ist ein technisch anspruchsvolles System, um das wir uns durchgängig gewissenhaft kümmern“, erklärte er. „Für jede unserer Anlagen gibt es einen sehr detaillierten Plan, wie der Abbau abzulaufen hat.“ EnBW hat das Ziel, jeden Block innerhalb von zehn bis 15 Jahren so abzubauen, dass er nicht mehr unter das Atomgesetz fällt. Nebengebäude etwa könnten auch später abgerissen werden. Bei Obrigheim, Neckarwestheim I sowie Philippsburg I und II hat man schon Erfahrungen sammeln können.

Warum hat sich Deutschland für den Atomausstieg entschieden?
Die Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 führte zu der historischen Entscheidung. Wasser lief dort in Reaktorblöcke, radioaktive Strahlung wurde freigesetzt, verseuchte Luft und Boden. Zahlreiche Einwohner mussten das Gebiet vorübergehend oder dauerhaft verlassen.

Kommt denn genug Strom aus anderen Energiequellen?
Kritiker des Atomausstiegs fürchten Lücken in der Stromversorgung. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromerzeugung ist im vergangenen Jahr gesunken – nach vorläufigen Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft auf 40,9 Prozent. Hintergrund ist unter anderem, dass 2021 vergleichsweise wenig Wind wehte. Der Anteil von Braunkohle betrug 18,6, von Erdgas 15,3, von Kernenergie 11,9 und von Steinkohle 9,3 Prozent. Vor allem bei der Kohle, aber auch bei Atomenergie verzeichnete der Verband Zuwächse.

Scheitert also die Energiewende womöglich?
Der Trend weist in eine eindeutige Richtung: „Betrachtet man den Verlauf der vergangenen zehn Jahre, hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung knapp verdoppelt, während der Anteil der Braun- und Steinkohleverstromung um rund 40 Prozent zurückging“, schreibt der Verband in seiner Analyse für 2021.

Wird denn am Atomausstieg nochmal gerüttelt?
Die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte neulich: „Der Atomausstieg ist unumkehrbar.“ Allerdings mehren sich Stimmen für eine Laufzeitverlängerung – etwa aus der Wirtschaft und der AfD. Ein Grund ist, dass der Kohleausstieg womöglich vorgezogen wird.

Wie werden die Lücken dann gefüllt?
Denkbar ist der Zukauf von Atomstrom etwa aus Frankreich. Das Nachbarland hat sich mit anderen Staaten dafür eingesetzt, in der EU Investitionen in Gas und Atomkraft als „nachhaltig“ einzustufen.

Wäre Neckarwestheim II denn bei einem Weiterbetrieb sicher?
Atomkraftgegner fordern seit langem, dass der Meiler stillgelegt wird und sind bis vor den baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof gezogen. Sie haben ein Gutachten erstellen lassen, wonach Rohrbrüche wegen Rissen drohen könnten. Die EnBW hat die Vorwürfe stets bestritten und auch das grün-geführte Landesumweltministerium zeigte sich nach der letzten Sicherheitsüberprüfung, als 17 neue Risse an Rohren festgestellt wurden, weiter beruhigt.

Was passiert mit dem Atommüll?
Das ist noch offen, die Suche nach einem Endlager läuft und soll 2031 beendet sein. Bis zur endlagergerechten Verpackung ist die EnBW für die radioaktiven Abfälle an ihren Standorten verantwortlich. „Ab diesem Punkt ist dann der Staat in seiner selbstgewählten Verantwortung“, sagte Mastiaux. Dass der Staat einen aufwendigen und mehrjährigen Prozess zur Endlagersuche gestartet hat, sei der Wichtigkeit des Themas angemessen. „Sowas muss man sehr ordentlich machen.“ Zu vermeiden gelte es, verzögert oder gar nicht zu entscheiden, weil man sich nicht festlegen möchte. „Auch dieses Kernkraft-Kapitel braucht einen vernünftigen Abschluss.“

Könnte ein Endlager in Baden-Württemberg entstehen?
Denkbar ist das. Aktuell kommen noch 90 Gebiete grundsätzlich infrage – 54 Prozent des Bundesgebiets. Unter anderem werden Gesteinsformen auf der Schwäbischen Alb analysiert. Die Umweltschutzorganisation BUND in Baden-Württemberg hatte vor kurzem signalisiert, ein Endlager im Südwesten zu akzeptieren, „wenn der Suchprozess vernünftig gelaufen ist und wir der Meinung sind, bundesweit betrachtet ist es tatsächlich der bestgeeignete Standort“.

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