Wirtschaft Klage gegen Ticketportal Viagogo

Wer im Internet nach Eintrittskarten für Fußballspiele oder Konzerte sucht, stößt schnell auf Viagogo. Das 2006 gegründete Unternehmen bezeichnet sich selbst als die größte Ticketbörse der Welt. Doch Viagogos Ruf ist schlecht. Das Geschäftsgebaren des Unternehmens hat nun zu einer Klage deutscher Verbraucherschützer geführt.

Kommentare auf der deutschen Facebook-Seite von Viagogo lesen sich so: „Abzocker“, „Ihr seid die größten Betrüger“, „Leute kauft keine Tickets hier.“ Auch Sandra Zimmermann ist sauer. „Schweineverein“, schreibt sie. Anfang April hat die Fußballanhängerin per Viagogo Karten für das Bundesligaspiel HSV gegen Schalke gekauft. Als sie kamen, war es nicht nur eine andere Kategorie als bestellt. Die Tickets waren auch ungültig. Der Kaufpreis wurde dennoch nicht erstattet. „Ich kenne niemand, der sein Geld zurückbekommen hat“, sagt Susanne Baumer. Sie ist Teamleiterin der Marktwächter Digitale Welt bei der Verbraucherzentrale Bayern und hat mit Viagogo täglich zu tun. Zimmermanns Schicksal sei kein Einzelfall. Die Verbraucherzentrale Bayern selbst habe bei einem Viagogo-Testkauf Karten für ein Fußballspiel erworben. Auch sie haben sich als ungültig herausgestellt. Auf eine Beschwerde kam als Antwort, man solle die ungültigen Tickets doch weiterverkaufen.

Viele Beschwerden bei Verbraucherzentrale

77 Prozent aller besonders bemerkenswerten Beschwerden von Verbrauchern zum Ticketmarkt würden auf Viagogo entfallen, sagt Baumer. Besonders bemerkenswert sind Praktiken wie ungültige Tickets ohne Kaufpreiserstattung. Die Verbraucherzentrale Bayern zerrt Viagogo nun vor den Kadi. Beim Landgericht München eingereicht wurde eine Unterlassungsklage, weil die Ticketbörse eine Abmahnung ignoriert hat. Das Schweigen umfasst auch Presseanfragen. Eine Aufforderung zur Stellungnahme gegen vorgebrachte Vorwürfe hat die Ticketbörse, die nur per E-Mail erreichbar ist, auch nach fünf Tagen unbeantwortet gelassen. Die Münchner Verbraucherschützer wollen nun per Klage erzwingen, dass Viagogo Verkäufer von Eintrittskarten nennt. Dann könnte man nachvollziehen, ob es wirklich nur eine Plattform zum privaten Weiterverkauf von Tickets ist. Vermutungen unter anderem von Fußballvereinen gehen in eine andere Richtung.

Erst Markt leer räumen, dann Tickets überteuert verkaufen

Viagogo wird verdächtigt, über Mittelsmänner oder computergestützte Bot-Programme gezielt Kartenkontingente zu kaufen, um den Markt leer zu räumen und die Tickets dann mit hohen Aufschlägen über das eigene Portal weiterzuverkaufen. „Man weiß nicht, woher die Tickets kommen“, sagt Baumer. Klar ist nur, dass Viagogo beim Verkauf Gebühren erhebt, die mehr als satt ausfallen können. Als der Autor dieser Zeilen Tickets für ein Eishockeyspiel erwerben wollte, haben die Gebühren den Preis für die Karten selbst überstiegen. Auch das sei kein Einzelfall, sagt Baumer. Sogar vollständig erfundene Tickets habe Viagogo schon angeboten. Für den 8. Oktober 2017 waren Karten für die Künstlerin Carolin Kebekus in der Hamburger Elbphilharmonie mit dem Vermerk „fast ausverkauft – nur noch wenige Tickets übrig“ im Angebot. Nach Auskunft des Kebekus-Managements war dieser Auftritt aber nie geplant.

Betrug auch bei Karten für Elbphilharmonie vermutet

Mittlerweile warnt auch die Elbphilharmonie vor Viagogo. Die Plattform verticke Karten von Veranstaltungen, für die der Vorverkauf noch nicht begonnen hat. „Im aktuellen Fall geht es um betrügerische Verkäufe von Eintrittskarten für die Serie Konzerte für Hamburg im Juni 2018“, teilte die Elbphilharmonie im Januar diesen Jahres mit. Aber das ist längst nicht alles, was sich Viagogo erlaubt. Die Verbraucherzentrale Bayern geht auch gegen eine recht spezielle Viagogo-Garantie vor. Darin sichert das Unternehmen den Erhalt von Tickets zu, schränkt das aber in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt wieder ein. Die Ticketbörse behält sich darin das Recht vor, Ersatztickets nach eigenem Ermessen auszuwählen. Es könne vorkommen, dass Käufer Karten nicht nur für andere Plätze sondern auch für andere Tage als bestellt bekommen, sagen Verbraucherschützer. Die Garantie sei wertlos und irreführend. „Verbraucher können bei Viagogo nicht immer davon ausgehen, dass sie gültige Eintrittskarten kaufen und dass es das Event wirklich gibt“, fasst Baumer zusammen.

Europaweit sind Verbraucherschützer alarmiert

Die Praktiken von Viagogo seien in vielen Ländern ähnlich und hätten europaweit Verbrauchschützer auf den Plan gerufen. So wollen Kollegen in Italien erzwingen, dass Viagogo den Originalpreis von Tickets ausweisen muss. Interessenten könnten dann besser abschätzen, ob sie über den Tisch gezogen werden sollen. Bei der Münchner Klage hat das Schweizer Unternehmen verlangt, dass sie von einem gerichtlich bestellten Übersetzer kosten- und zeittreibend ins Französische übersetzt wird, was für vier Monate Verzögerung gesorgt hat. Solches Verhalten sei typisch für Viagogo, sagt Baumer. In London seien Vertreter der Plattform schon vor dortige Parlamentarier zitiert worden. Erschienen ist niemand.

Fifa verbietet Verkauf von WM-Tickets

Auch die Fifa geht gegen Viagogo vor. Sie hat eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es Viagogo untersagt, Tickets für die Fußball-WM in Russland zu verkaufen. Viel genutzt hat das nicht. Karten für das Eröffnungsspiel Russland gegen Saudi-Arabien sind auf Viagogo für Preise zwischen 322 und 3244 Euro das Stück zu haben – zuzüglich Gebühren versteht sich. 

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