Sport „Zum Fairplay erziehen und Flüchtlinge unterstützen“

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RÜSSINGEN. In der Kolumne Sport-Plauderei stellen wir Menschen vor, die sich hinter den Kulissen engagieren. Heute: Benjamin Grünewald (24) aus Rüssingen im Donnersbergkreis. Er studiert in Erfurt Geschichte und Management. Der leidenschaftliche Hobby-Fußballer wurde mit dem Erfurter Verein „spirit of football“ speziell für das Engagement in der Flüchtlingsarbeit im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund mit dem Integrationspreis des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ausgezeichnet.

Herr Grünewald, was macht der Verein „spirit of football“, was sind die Ziele? Wofür stehen Sie?

Die Hauptaufgaben sehen wir in unseren Schulprojekten, auch in den Grundschulen. Wir versuchen, in unseren Workshops zum Fairplay zu erziehen. Ich finde Fairplay sehr wichtig, gerade weil es heute im Fußball ja oft verloren geht – vor allem auch bei vielen Fans. Die allgemein gültigen Regeln wenden wir im Alltag an – in den Hallen und auf den Sportplätzen. Und wir stehen für die Willkommenskultur, wir wenden uns gegen Rassismus. Wir versuchen, Flüchtlinge bei der Integration durch Sport, durch Fußball zu unterstützen. Gibt es den Verein „spirit of football“ auch in anderen Städten? „spirit of football“ gibt es auch in Brasilien und in England. Die machen – im Gegensatz zu uns in Erfurt – aber keine Projekte, sondern nur Ballreisen zu gewissen Events, was wir auch gemeinsam zur WM 2018 planen. In Erfurt wurde der Verein von Andrew Aris, einem ehemaligem Spieler von Rot-Weiß Erfurt, gegründet. Ein verrückter, ein total guter Typ, der uns auch heute noch unterstützt. Wie läuft die Verständigung mit den Flüchtlingen, wie groß ist das Sprachproblem? Im Sport ist es einfach, im Fußball ist es simpel. Ein Torschuss ist ein Torschuss. Ich werf’ einen Ball rein, und das Spiel läuft. Die meisten besuchen ja auch Deutschkurse, machen schnell Fortschritte. Schwierig ist die Verständigung mit Jugendlichen, die allein, ohne Begleitung kommen, und dann in den Einrichtungen nur unter sich sind. Die Betreuung, die Arbeit von Flüchtlingen ist eine Hauptaufgabe. Wie viele Leute kommen zu Ihren Aktivitäten, wie oft treffen Sie sich? Jeden Mittwoch treffen wir uns. Es ist eine Art Willkommensabend. Da kommen immer so um die 40 Leute, wir hatten aber auch schon 60 – da kamen wir an die Grenzen unser Kapazitäten. Die meisten Menschen kommen aus Somalia und Syrien. Wir kochen dann zusammen – immer abwechselnd, einmal die Flüchtlinge, einmal die Deutschen. Wir erzählen viel, haben Tischtennisplatten, Kicker, Musik, wir singen zusammen oder spielen Karten. Wie oft sind Sie in Schulen, wie oft wird mit Flüchtlingen trainiert? Wir sind im Durchschnitt an zwei bis drei Tagen die Woche in Schulen. Diese Woche haben wir sechs Projekttage. In jeder Woche haben wir drei Fußballangebote für Flüchtlinge. Von den minderjährigen unbegleiteten Jungs sind sieben, acht mittlerweile bei Vereinen, die am Ligabetrieb teilnehmen. Wir versuchen interessierte Jungs eben auch in Kontakt mit Vereinen in der Stadt zu bringen. Wie ist die Akzeptanz Ihres Vereins in Erfurt? Wir haben seit 2008 oder 2009 eine Kooperation mit der Universität. Dort gibt es ein Studium Fundamentale. Es ist Pflicht, in jedem Semester ein Seminar zu belegen, um einen Blick über den Tellerrand zu werfen, den Horizont zu erweitern. Das ist dann schon eine besondere Universität ... Ja, es ist ja auch eine Luther-Universität. Ich finde das Ganze ziemlich gut. Wie bewirbt man sich für den Integrationspreis? Man muss sich beim DFB bewerben. Wir haben die Ausschreibung gelesen, gesehen, dass wir mit unserer Arbeit, unserem Projekt, das Anforderungsprofil erfüllen. Dass wir aber gewinnen könnten, den ersten Platz holen, damit haben wir bei über 200 Bewerbern nicht gerechnet. Was gab’s für den Sieger? Einen Mercedes Vito, einen Neunsitzer im Wert von 45.000 Euro. Den könnt Ihr sicher gut gebrauchen. Ja, der hilft uns auch bei unserer Ballreise zur WM 2018. Aber auch im Training, bei den Schulprojekten, wenn wir in Erfurt zu den Plätzen fahren, Trainingsgeräte und Bälle transportieren. Da mussten wir bisher oft Autos mieten oder mit dem Taxi fahren. Wie war’s bei der Preisverleihung im Deutschen Fußballmuseum? Ich komme ja mehr aus dem praktischen Teil, bin lieber auf dem Platz als bei so einer Gala. Aber es war natürlich auch eine Ehre, auf dieser Bühne einmal dabei zu sein. Ich konnte mich auch sehr ausführlich mit Oliver Bierhoff, dem Schirmherrn der Aktion, und Cacau, dem Integrationsbeauftragen des DFB, unterhalten. Das Fußballmuseum für sich ist schon sehr interessant. Sie sind ja selbst Fußballer, spielen Sie noch bei TuS Rüssingen, wo sie als junger Kerl ja auch schon die Zweite trainiert haben. Ja, ich spiele bei TuS Rüssingen mit der zweiten Mannschaft in der B-Klasse. Ich habe aber auch Zweitspielrecht, das ist bei Studenten möglich, für Harz 04 Erfurt. Der Verein heißt so, weil er im Harz gegründet wurde. Das ist kein Thekenverein, wir spielen da in der Kreisklasse. Position? Im Sturm – wie früher der Papa. Ihr Vater, Ludger Grünewald, in der Friedensarbeit, bei sozialen Projekten im Donnersbergkreis ja sehr engagiert, hat Sie sicher geprägt. Auf alle Fälle. Ich finde es wichtig, sich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, wenn ich in Erfurt höre, dass auf dem Domplatz AfD-Parolen gebrüllt werden. | Interview: Horst Konzok

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