Sport So knapp

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Barbara Engleder belegt in der ersten olympischen Entscheidung, dem Schießen mit dem Luftgewehr, Platz vier. Dafür findet sie deutliche Worte und hofft nun auf ihren nächsten Start. Der neue Modus sorgt für viel Spannung. Von Klaus D. Kullmann

Es ging vielleicht um einen Millimeter am Ende. Mit ihrem 16. Schuss, einer 10,2, gab Barbara Engleder gestern die Medaille am Schießstand von Deodoro aus der Hand. „Es ist schon ein bissel enttäuschend. Das ärgert mich für mich und für den Verband“, sagte die 33 Jahre alte Luftgewehrschützin aus dem bayerischen Triftern. Den ersten Olympiasieg von Rio holte die Amerikanerin Virginia Thrasher mit 208,0 Ringen vor den beiden Chinesinnen Du Li (207) und Yi Siling (185,4). In der Mixedzone lief die Weltschützin Snjezana Pejcic traurig an Engleder vorbei und gab ihr einen Schulterklaps. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Die Kroatin schied noch früher aus, wurde Siebte. Ein Desaster für sie. Die Blicke der beiden sprachen Bände. Schicksalsblicke. Schon nachdem Barbara Engleder nach dem neuen Wettkampfsystem als Viertletzte ausgeschieden war, saß sie neben Bundestrainer Claus-Dieter Roth und schüttelte immer wieder den Kopf. „Wie gesagt, ist die Runde noch so klein, eine muss das Arschloch sein. Das bin ich heute“, diktierte sie ihn den Block. Sie redet halt gern. Mal lustig, mal derb. Aber immer direkt. Die Mutter des kleinen Tobias wusste: „Die Traurigkeit über die verpasste Chance kommt schon noch.“ Der Wettkampf, zu dem IOC-Präsident Thomas Bach zu spät kam – wie gerne hätte er seiner Landsfrau eine Medaille um den Hals gehängt –, verlief hoch spannend. Acht Schützinnen im Finale, alle auf einem Niveau. Barbara Engleder kam als Vorkampf-Zweite rein, Selina Gschwandtner (22) scheiterte bei ihren ersten Olympischen Spielen als 13. am Finaleinzug. „Es war total anstrengend für mich. Der Anfang war einfach scheiße, da habe ich mir alles verbaut, dann habe ich nur noch versucht, mein Ding zu machen“, sagte der Olympianeuling, der sich überhaupt keinen Erfolgsdruck für eine eventuelle Finalteilnahme aufgebaut hatte. Nach den ersten acht Schüssen im Finale mussten zwei raus, dann nach jeweils zwei weiteren immer die Schwächste. Engleder hatte mit einer 9,8 begonnen, was Sportdirektor Heiner Gabelmann ganz gelassen kommentierte: „Das ist nix. Aber die wird sich steigern, da bin ich sicher.“ Sie stabilisierte sich dann auf den Plätzen vier und drei, obwohl sie noch zweimal eine 9,9 schoss, liebäugelte mit einem Medaillenplatz. „Die Nerven liegen da bei allen blank“, sagte Gabelmann, „aber sie hat ihr Ziel schon erreicht“. Das Luftgewehr ist ihre vermeintlich schwächere Disziplin, „sie nimmt das Ergebnis als Motivation mit in den Dreistellungskampf am Donnerstag“, sagte der Pfälzer. Mit dem Sportgewehr war Engleder 2010 in München Weltmeisterin. Natürlich kriegt man mit, was die Konkurrenz schießt. „Ich versuche mich durch Atmung runterzubringen und mir positiv zuzureden, um die Aufgabe richtig angehen zu können“, verrät sie ihr Rezept. „Es war sein sehr dunkler Hintergrund, der das Zentrieren von der Scheibe und des Korntunnels fast unmöglich und extrem schwer machte. Da versuche ich mir dann Aufgaben zu stellen, um mich mit mir zu beschäftigen und um über die Aufregung nicht nachzudenken.“ Dann lag Barbara Engleder mit dem 15. Schuss sogar auf dem zweiten Platz. Nach einer 10,7. „Es ist eigentlich ganz einfach, sie muss jetzt einfach nur schießen“, meinte Gabelmann – sie traf „nur“ eine 10,2 und schied knapp geschlagen aus. Engleder drehte sich zum Publikum um, hob beide Arme hoch, warf mit rechts eine Kusshand. Aber die Enttäuschung war ihr auch aus der Distanz im Gesicht abzulesen. „Nach dem Vorkampf war ich super zufrieden, ich hatte meine Trainingsleistung abgerufen, das Finale erreicht, nicht als Erste rausgeflogen, das war alles okay. Ich habe mein bestes olympisches Ergebnis erzielt. Heute morgen habe ich mich so schlecht gefühlt, da hätte ich den vierten Platz sofort unterschrieben“, erzählte sie über ihre Grippe und ihren Schüttelfrost, und dass sie am Tag zuvor im Training fast in Ohnmacht gefallen wäre. Die Klimaanlagen haben sie richtig runtergehauen. „Ich werd’ jetzt noch mal antreten und alles geben“, machte sich Barbara Engleder richtig Mut. Sie will nicht noch einmal einer Chance nachtrauern. Für Heiner Gabelmann verlief dieser Auftakttag überraschend gut. „Eine Medaille hätte uns natürlich gepasst“, meinte er, sah aber auch, wie eng das Feld zusammenlag und wie es rauf und runter ging. Eines aber will Gabelmann nicht mehr erleben: medaillenlose Spiele wie 2012 in London.

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