Hintergrund Fußball: Der Kampf um die Kulisse

Die Heidenheimer Spielerfrauen sorgten am Montag für Aufsehen, weil sie ohne Erlaubnis auf der Tribüne saßen. Zuschauer werden k
Die Heidenheimer Spielerfrauen sorgten am Montag für Aufsehen, weil sie ohne Erlaubnis auf der Tribüne saßen. Zuschauer werden künftig nur mit Regeln Zutritt in die Stadien finden. Aber wie lauten diese Regeln?

Wie sehr es die Zuschauer wieder zu einem Fußballspiel zieht, hat zuletzt der 1. FC Heidenheim erlebt. Da saßen gegen Werder Bremen plötzlich die Spielerfrauen auf der Tribüne. Unter Missachtung der Abstandsregeln. Von der DFL gab es dafür eine Geldstrafe. Vielen Menschen fehlt das Stadionerlebnis.

Das Pilotprojekt hat dazu Borussia Dortmund am letzten Spieltag beim Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim abgehalten. Dabei geht es um ein System der Firma G2K, das über kamerabasierte Funktionen sowohl die Fiebermessung, Maskenerkennung und Personenzählung ermöglicht. In einem vierten Modul könnten sogar die Abstände der Besucher in ausgewählten Tribünenbereichen gemessen werden. Denn es bringt ja nichts, wenn die Fans halbwegs gesittet in die Arenen gelangen, dann aber im Fußballfieber alle Empfehlungen in Corona-Zeiten über den Haufen geworfen werden. Aber wann und viele Personen dürfen rein?

RB Leipzig plant konkret, seine Arena mit jedem zweiten Platz – also rund 20.000 Zuschauer – zu befüllen. „Wir haben ein Konzept für Spiele mit Zuschauern für die neue Saison entwickelt und dies mit dem Gesundheitsamt Leipzig diskutiert“, bestätigte der für die operative Ebene zuständige Geschäftsführer Ulrich Wolter.

Gegenwind von Karl Lauterbach

Gegenwind vom Gesundheitsexperten Karl Lauterbach (SPD) kam prompt. „Fußball-Bundesliga-Spiele mit Zuschauern halte ich für nicht verantwortbar.“ Er sollte wissen, dass die Saisonfortsetzung nicht zum „Superspreader“ wurde. Das inzwischen von vielen Top-Ligen nachgeahmte Hygiene- und Sicherheitskonzept war schließlich alles andere als leichtsinnig angelegt.

Dass Menschen sich zu nahe kommen, die sich gar nicht kennen, aber dasselbe Interesse eint, wird an vielen Szene-Treffpunkten von Hamburg bis München fast jeden Sommerabend vor den Augen der Polizei geduldet, dient aber nicht als Vorbild für den Bundesliga-Alltag. Ohne Einschränkungen – und personalisierte Tickets mit fester Zuteilung auf einen Platz – wird es kaum gehen. Dass die kommende Spielzeit Mitte September mit Fans erfolgen soll, steht für Liga-Chef Christian Seifert außer Frage. „Wir versuchen dafür, die Rahmenbedingungen zu schaffen“, sagte der DFL-Geschäftsführer kürzlich, schränkte aber gleichzeitig ein: „Die nächste Saison, die im Idealfall wieder geregelt abläuft, wird 2021/22 sein.“ Das ist lange hin.

Dauerkarten: ja – oder eher nein?

Der Umgang mit der ungewissen Zuschauerfrage ist teils völlig unterschiedlich. Borussia Dortmund verkauft keine Saisontickets. Borussia Mönchengladbach ermöglicht die Buchung von Dauerkarten, die zur Rückrunde gelten sollen. Beim SV Werder bildeten die Einnahmen von den 25.000 Stammkunden einen Sockel, um durch den Sommer zu kommen – nun wird erwogen, eine Verlosung zu starten, sollte eine Teileröffnung erlaubt werden. Fraglich, ob der Bremer Senat mitspielt. Bei Eintracht Frankfurt hält Vorstandschef Fredi Bobic von Planspielen mit reduzierter Zulassung wenig. Sein Motto: ganz oder gar nicht.

Zuerst braucht es die Erlaubnis aus der Politik, die das Infektionsgeschehen gerade mit Blickrichtung auf die kühleren Jahreszeiten im Herbst und Winter, wo nächste Saison noch mehr Spieltage als ohnehin schon stattfinden sollen, mit gewisser Sorge beobachtet. Immerhin hat sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) grundsätzlich zuversichtlich gezeigt, „dass wir nach und nach wieder Publikum zu lassen können.“ Dass dem Fußball ohne Fans ein Stück Seele fehlt, ist unbestritten.

Sportschau-Quoten eingebrochen

Sind die bei der ARD-Sportschau eingebrochenen Quoten vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass der Geisterspielbetrieb am Fernseher noch weniger Spaß macht als im Stadion? „Ein Stadion ohne Zuschauer ist wie ein Gottesdienst in leerer Kirche. Und warum sollte Gott in die Kirche kommen, wenn die Gläubigen fehlen“, hielt „11Freunde“ als Magazin für Fußballkultur zum letzten Titelthema „Ihr fehlt! – Ohne Fans ist Fußball nur ein Spiel“ fest. Wenig verwunderlich, dass Sig Zelt, vom Bündnis „ProFan“ und Anhänger von Union Berlin, sagt: „Bei vielen Ultras herrscht eine große Skepsis und die Meinung: Wenn wieder Leute in die Stadien dürfen, dann alle.“

Ganz nebenbei geht es für die Klubs auch nicht nur um bessere Stimmung, sondern auch um ein bisschen Geld. Zwar sind die Vereine längst nicht mehr so abhängig von den Zuschauereinnahmen wie noch bis weit in die 80er Jahre, aber die 520 Millionen Euro, die die Bundesliga 2018/2019 als Spielerträgen vereinnahmte, sind eben auch nicht zu verachten. Ihr Anteil an den Gesamterträgen ist inzwischen auf knapp 13 Prozent geschrumpft, aber mitten in einer von der Pandemie verursachten Phase des Abschwungs wird auch bei den allermeisten Bundesligisten längst jeder Euro gebraucht.

x