Fussball-WM England scheitert an Frankreich: Der Fluch bleibt

Harry Kane verschießt einen Elfmeter und wird zur tragischen Figur.
Harry Kane verschießt einen Elfmeter und wird zur tragischen Figur.

Das Viertelfinale zwischen England und Frankreich ist ein spektakuläres Duell, der Weltmeister triumphiert . Harry Kane wird zur tragischen Figur – natürlich aus elf Metern.

Das Bild des todtraurig auf dem Rasen hockenden Harry Kane sollte nicht minutenlang um die ganze Fußballwelt gehen. Englands Torhüter Jordan Pickford scheuchte einen aufdringlichen Kameramann deshalb weg von seinem Kapitän – denn der war über seinen verhängnisvollen Elfmeter-Fehlschuss in der 84. Minute noch längst nicht hinweg. Auch deshalb haben Frankreichs Himmelsstürmer das quälend lange englische Titeltrauma auf mindestens 58 Jahre verlängert. Der Weltmeister gewann das letzte WM-Viertelfinale gegen die Three Lions mit 2:1 (1:0) und spielt am Mittwoch gegen Marokko um die Endspielteilnahme.

Aurélien Tchouaméni eröffnet mit einem sehenswerten Distanzschuss und erzielt die Führung für Frankreich.
Aurélien Tchouaméni eröffnet mit einem sehenswerten Distanzschuss und erzielt die Führung für Frankreich.

Aurélien Tchouaméni (17.) und Olivier Giroud (78.) trafen vor 68.895 Zuschauern im Al-Bait Stadion von Al-Chaur für die Équipe Tricolore von Trainer Didier Deschamps, Englands Rekordkapitän Harry Kane konnte nur zwischenzeitlich per Elfmeter ausgleichen (54.). Nach dem verlorenen EM-Finale in Wembley im Vorjahr reisen die Engländer wie schon so oft früher als gewollt ab. Den letzten Titel bei einem großen Turnier gewannen die Three Lions 1966 im Finale gegen Deutschland. Frankreich hingegen wandelt auf den Spuren der legendären brasilianischen Auswahl, die 1962 als bisher letztes Team den WM-Triumph direkt wiederholt hatte. „Das ist außergewöhnlich, wir hatten die richtige Mentalität. Ich bin sicher: Es geht so weit, wie es gehen kann“, sagte Siegtorschütze Giroud.

Führung mit 108 Stundenkilometern

Die britischen Fans waren in der einem Wüstenzelt nachempfundenen Arena zwar in der Überzahl. Zumindest war das „Come on, England“ deutlich lauter zu hören als „Allez, les Bleus“. Die beiden Regierungschefs Emmanuel Macron und Rishi Sunak hatten sich vor der Partie bei Twitter ein kleines Spaßgeplänkel geliefert, wer denn nun ins Halbfinale einzieht.

Nach England sah es in der Anfangsphase nicht aus. Die Auswahl von Gareth Southgate agierte im Spielaufbau ideenlos – und leistete sich ungewohnt viele Fehler. Frankreichs Tempo-Sturm nutzte das gnadenlos aus. Der nicht zu stoppende Kylian Mbappé wechselte mit dem Ball am Fuß die Seite und leitete damit die Führung ein. Tchouaméni traf sehenswert nach Vorlage von Antoine Griezmann aus gut 25 Metern, der Ball schnellte dabei auf eine Höchstgeschwindigkeit von 108 Stundenkilometer. Erstmals bei dieser WM lag England hinten.

Nach dem Ausgleich jubeln die Engländer,
Nach dem Ausgleich jubeln die Engländer,

Kane prüfte seinen Tottenham-Vereinskollegen Hugo Lloris im französischen Tor in der 21. und 29. Minute, England war nun präsenter. Auch Jude Bellingham hatte mehr Ballaktionen. Kurzzeitig hatten die Engländer auf einen Elfmeter gehofft, als ein Zweikampf zwischen Bayern-Profi Dayot Upamecano und Kane an der Strafraumgrenze per Videobeweis überprüft wurde. Schiedsrichter Wilton Sampaio (Brasilien) unterbrach das Spiel lange, doch einen Strafstoß gab es nicht.

Ein schlechtes Omen

Mbappé fiel in dieser Phase im Vergleich mit Kane etwas ab. Sein Schuss in der 40. Minute ging weit über das englische Tor. Aber das musste bei dem 23-Jährigen nichts heißen. Gegen Polen im Achtelfinale hatte der Paris-Stürmer laut seines Trainers Deschamps nicht ganz überzeugt – aber trotzdem zwei Tore erzielt.

Der Halbzeit-Rückstand war in der aufregenden englischen Fußballhistorie ein schlechtes Omen: Noch nie gewannen die Three Lions ein WM-Spiel, wenn sie zur Pause hinten lagen. Bellinghams Versuch, sich dem entgegenzustemmen, wurde kurz nach dem Wiederanpfiff von Lloris über das Tor gelenkt (47.). Dann gab es aber doch Strafstoß für England. Tchouaméni holte Bukayo Saka im Strafraum von den Beinen, Kane ließ sich die Chance bei seinem elften WM-Einsatz als England-Kapitän nicht nehmen. Der 29-Jährige zog mit seinem 53. England-Tor mit Rekordschütze Wayne Rooney gleich.

Doch Olivier Giroud erhöht erneut.
Doch Olivier Giroud erhöht erneut.

Die Briten wurden in der Folge besser, hätten das zweite Tor verdient gehabt. Harry Maguire (70.) und Saka (71.) vergaben aussichtsreiche Möglichkeiten. Giroud bestrafte die mangelnde Chancenverwertung: Den ersten Versuch des 36-Jährigen konnte Englands Torwart Jordan Pickford noch entschärfen (77.), beim zweiten per Kopf war er aber machtlos.

Das ungestüme Abwehrverhalten von Theo Hernández, das wieder vom Videoassistent überprüft wurde, führte zum zweiten Strafstoß. Kane legte sich den Ball in aller Ruhe zurecht – und schoss weit drüber. Das Aus für England war besiegelt und Kane der tragische Held.

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