Rhythmische Sportgymnastik Ein deutscher Superstar von der Schulbank

Räumte bei der WM ab: Darja Varfolomeev.
Räumte bei der WM ab: Darja Varfolomeev.

Keine deutsche Gymnastin war je erfolgreicher: Darja Varfolomeev krönt sich zur Mehrkampf-Königin und geht als Fünffach-Weltmeisterin ins Olympia-Jahr. Im Deutschen Turner-Bund herrscht Begeisterung.

Die Mundwinkel zuckten, der Gesichtsausdruck kündigte Tränen an: Unmittelbar nach der Schlusspose schienen Darja Varfolomeev die Emotionen zu überwältigen. Doch schnell hatte die 16-Jährige sich wieder im Griff und strahlte erleichtert und glücklich. Dank einer tadellosen Darbietung mit dem Ball hat sich die gebürtige Russin in Valencia zur Königin in der Rhythmischen Sportgymnastik gekrönt. Belohnung: ein zweiwöchiger Familienurlaub auf Mallorca.

Die Ausnahmeathletin aus Schmiden gewann nach viermal Gold in den Einzel-Entscheidungen bei den Weltmeisterschaften auch den prestigeträchtigen Titel im Mehrkampf und gilt nun als Favoritin für den Olympiasieg im kommenden Jahr in Paris. „Mit fünf Goldmedaillen habe ich niemals gerechnet, und der Mehrkampftitel bedeutet mir alles. Darum geht es auch bei den Olympischen Spielen“, sagte Varfolomeev nach ihrem historischen Erfolg.

Ein Titel-Durchmarsch

Der Turn-Weltverband schrieb von einer „Mehrkampf-Sensation“, nachdem die Schülerin ihren Durchmarsch mit dem Titel in der einzigen olympischen Einzeldisziplin und allen fünf möglichen Goldmedaillen perfekt gemacht hatte. „Diese Medaille ist wichtiger für mich als die Medaillen in den Gerätewettbewerben“, sagte Zehntklässlerin Varfolomeev, die mit zwölf Jahren und zunächst ohne Eltern und ohne die Sprache zu sprechen aus dem westsibirischen Barnaul nach Deutschland gekommen war.

Der Titel im Vierkampf mit Ball, Reifen, Band und Keulen „ist mein Traum“, hatte sie vorher gesagt. Doch dessen am Ende doch noch souveräne Erfüllung mit 137,450 Punkten geriet zwischenzeitlich in Gefahr. Ausgerechnet in der Königsdisziplin hatte sie ihre zuvor gezeigte Lockerheit und Souveränität verloren – und prompt unterlief ihr mit dem Band ein Fehler. Nach der Hälfte des Wettkampfes lag Varfolomeev fast drei Punkte hinter Raffaeli. „Der letzte Tag ist immer der schwerste und ich bin wirklich froh, dass ich überlebt habe. Ich habe mich heute etwas schwach gefühlt, aber die Zuschauer haben mir geholfen, durchzukommen“, gestand sie.

Bei den Übungen mit dem Reifen und abschließend mit dem Ball bewies der Schützling von Trainerin Yuliya Raskina ihre Qualitäten als Wettkämpferin und startete eine erfolgreiche Aufholjagd. Ihre Trainerin attestierte ihr Ehrgeiz und gewachsene Reife. Sie sei noch sehr jung, aber langsam wachse sie, sagte Raskina. „Letztes Jahr war sie noch ein Kind. Sie hat gespielt auf der Fläche. Es war nichts ernst. Langsam wird sie ernst, jetzt kommt Leistungssport, professioneller Sport“, urteilte die Olympia-Zweite von 2000 in Sydney. „Ihre mentale Stärke ist derzeit einzigartig in diesem Feld. Meine allergrößte Hochachtung vor dieser Leistung“, sagte die deutsche Teammanagerin Isabell Sawade.

Team-Silber auch nach Oppau

Als erste deutsche Mehrkampf-Weltmeisterin seit Carmen Rischer 1975 hat Varfolomeev Historisches erreicht. Mit nun sechsmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze bei nur zwei Weltmeisterschaften ist sie die erfolgreichste deutsche Gymnastin. In Valencia gewann die 16-Jährige neben fünf Titeln gemeinsam mit Margarita Kolosov sowie der Gruppe aus Anja Kosan, Daniella Kromm und Alina Oganesyan, Hannah Vester (TB Oppau) und Emilia Wickert Silber in der Teamwertung.

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