Hintergrund Cybermobbing im Fußball: Im Netz sind alle gleich

Hass im Internet schlägt auch Fußballprofis entgegen.
Hass im Internet schlägt auch Fußballprofis entgegen.

Gefühlt nimmt der Hass im Internet gegen Fußballprofis zu. Zumindest machen die Spieler die Anfeindungen verstärkt öffentlich. Ein Spiegelbild der Gesellschaft?

Es geht also auch anders. Unter dem auf Youtube hochgeladenen Video, in dem die Bayern-Stars Thomas Müller, Leroy Sané und Leon Goretzka nur schwer zu ertragene Beleidigungen gegen sie vorlesen, finden sich größtenteils positive Kommentare. „Starker Spot“, „Respekt“ oder „gute Message“ ist dort zu lesen. Doch immer häufiger schlägt den Fußballprofis eine ganz andere Sprache und Gangart entgegen, wenn sie auf ihren Social-Media-Kanälen die Kommentarspalte lesen. Nach den jüngsten rassistischen Angriffen im Internet auf den Leipziger Benjamin Henrichs und den Münchner Dayot Upamecano schlägt die Spielergewerkschaft VDV Alarm.

„Cybermobbing ist bereits seit vielen Jahren ein sehr ernstzunehmendes Thema – nicht nur im Sport“, sagt VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky. Er fordert ein härteres Durchgreifen des Staates: „In erster Linie sind Gesetzgeber und Strafverfolgungsbehörden gefordert, Verbesserungen herbeizuführen und Opfer besser zu schützen.“ Ähnlich hatte sich zuvor schon Henrichs Klub-Trainer Marco Rose geäußert. Die Übeltäter sollten „ein paar Tage wegsperrt“ werden, „dann würde man dort möglicherweise den einen oder anderen zum Nachdenken anregen, sich wie ein normaler, sozialer Mensch zu verhalten“, sagte der RB-Coach.

Geringe Aufklärungsquote

Auf eine Strafanzeige hatte Torhüter Andreas Luthe vom 1. FC Kaiserslautern zunächst verzichtet, nachdem er nach dem Auswärtsspiel in Hannover „widerliche Nachrichten“ erhalten hatte. „Wusste gar nicht, dass Familien den Tod zu wünschen so in Mode geraten ist. Der Trend ist an mir vorbeigegangen...“, schrieb Luthe mit unverkennbarem Sarkasmus bei Twitter.

Vor Kurzem rassistisch im Netz beleidigt: Leipzigs Benjamin Henrichs
Vor Kurzem rassistisch im Netz beleidigt: Leipzigs Benjamin Henrichs

Die Aufklärungsquote bei Hassdelikten ist noch immer gering und Strafverfahren in dieser Sache dauern lange. Dem will das Bundesjustizministerium mit dem neuen „Gesetz gegen digitale Gewalt“ entgegentreten. Ein zentraler Punkt: Es soll einen zivilrechtlichen Anspruch gegen Plattformbetreiber wie Facebook, Instagram und Twitter auf eine vorübergehende Sperrung von hetzerischen Accounts geben. Daran sollten sich auch Fußballprofis beteiligen, findet Marion Sulprizio. Sie arbeitet im psychologischen Institut der Sporthochschule Köln und sieht die Spieler mit ihren großen Follower-Anzahlen als besonders gefährdet für Hass im Internet. „Durch die größere Erreichbarkeit und Sichtbarkeit in den Medien hat es sich gesteigert im Vergleich zu vor 20 Jahren“, sagt Sulprizio.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via Glomex.

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Die Annahme, dass Fußballprofis wegen des täglichen Drucks in dem Milliarden-Geschäft auch beleidigende und rassistische Kommentare besser vertragen können, sei ein Trugschluss, sagt Sulprizio: „Da ist die Bandbreite genau wie bei Otto Normalverbraucher.“ Es gebe Sportler, die es noch stärker macht, „und dann gibt es auch welche, die es beschäftigt, die dann in ihren Aktionen verkrampfen und in ihrer Körpersprache eingeschränkt sind“.

Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft.
Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft.

Die Spielergewerkschaft VDV bietet Profis und Talenten Präventionsschulungen, juristische Beratungen und sportpsychologische Unterstützung zu dem Thema an. Ignorieren, öffentlich reagieren oder gar strafrechtlich anzeigen? Den einen richtigen Weg, mit Anfeindungen im Netz umzugehen, gibt es auch bei Fußballern nicht.

Verrohung der Sprache

Müller, Sané und Goretzka wollten unbedingt ein Zeichen setzen. Sie lasen für die mit Bayern-Sponsor Deutsche Telekom ins Leben gerufene Kampagne „Gemeinsam gegen Hass im Netz“ in einem Video schockierende Nachrichten vor, die sie selbst erhalten hatten: „Halt besser dein unqualifiziertes Maul“. „Früher war es Mia San Mia, heute nur noch Ausländer“. „Ich spucke auf euch, ihr Missgeburten“. „Möge euer Teambus brennen, ihr Versager“. Manche Wörter mussten gar mit einem Piepton übertönt werden.

Bayerns Vorstandschef Oliver Kahn unterstützte die Aktion. Zu seiner aktiven Zeit habe er erlebt, „was verbale Entgleisungen und Aggressionen anrichten können“, sagte der früher polarisierende Torhüter. Der Hass im Netz sei auch ein Brandbeschleuniger für die Stimmung im Stadion, glaubt Fanforscher Gunter A. Pilz. „Die Verrohung der Sprache in Social Media wirkt sich auch auf das Verhalten und die Qualität der Beleidigungen im Stadion aus“, sagte der 78-Jährige der Funke-Mediengruppe.

Experten sind sich einig, dass der Fußball auch hier ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. Trainer Christian Streich vom SC Freiburg, der gern über den Tellerrand hinausschaut, stimmt dem zu. „Der Druck ist immens, aber auch der Druck in der Gesellschaft ist immens“, sagt Streich. Es gebe Erscheinungen, „die katastrophal sind“. Hass im Internet gehört sicher dazu.

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