Sport Boxhandschuhe statt Röckchen

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Breslau. In ihrem letzten Gruppenspiel bei der Handball-Europameisterschaft in Polen trifft die deutsche Nationalmannschaft heute (17.15 Uhr) auf Slowenien. Die Ausgangslage ist klar: Gewinnt die Auswahl oder spielt sie unentschieden, steht sie in der Hauptrunde. Deutschland ist bei einer Niederlage gegen Slowenien ausgeschieden, wenn Schweden Spanien schlägt. Christian Dissinger wird nach seiner Roten Karte im Schweden-Spiel nicht gesperrt.

Als Andreas Wolff, ein kleiner fünfjähriger Pimpf, damals in sein erstes Handball-Training bei der SG Ollheim/ Strassfeld ging, da war er nach eigenem Bekunden noch sehr schüchtern. „Ich habe mich hinten ins Tor gestellt, dort hat es mir sehr gut gefallen“, erzählte der 24-Jährige gestern und schob schmunzelnd hinterher: „Das hat sich ja nicht als falsch herausgestellt.“ Kann man wohl sagen! Andreas Wolff ist der Mann der Stunde. Der Torhüter der HSG Wetzlar, ab der neuen Saison beim THW Kiel unter Vertrag, war der beste Spieler in der Partie Deutschland gegen Schweden. Er hatte mit seinen Paraden einen großen Anteil daran, dass die junge Auswahl den ersten Sieg bei der EM landete. „Der Sieg gibt Selbstvertrauen, jetzt wissen wir, wie es geht“, betonte der Keeper, der nach der Pause hinter einer nun aggressiven, kompakten Abwehr zum entscheidenden Faktor wurde. Durch einen Hinweis seiner Co-Trainer stellte Coach Dagur Sigurdsson auf eine 4:2-Defensive um, die Schweden gerieten aus dem Takt. „Die Mannschaft hat in der zweiten Halbzeit die Röckchen gegen die Boxhandschuhe getauscht“, formulierte Delegationsleiter Bob Hanning. Und: Sie hatte den besseren Torhüter. Andreas Wolff hat in der Nacht zum Dienstag schlecht geschlafen, er vermutete gestern noch jede Menge Adrenalin im Körper. Mit seiner extrovertierten Art tat er der Mannschaft während des Spiel gut. „Diese impulsive Art hat einen Zweck, sie ist von Dagur ja auch gewünscht“, betonte Wolff. Vor Jahresfrist war er noch sehr unglücklich. Bei der WM in Katar kam er hinter Carsten Lichtlein und Silvio Heinevetter über die Reservistenrolle nicht hinaus. Nun ist er ein wichtiger Bestandteil des deutschen Teams. Sigurdsson schloss nicht aus, dass Wolff gegen Slowenien beginnt, Lichtlein erst einmal auf die Bank muss. Probleme gibt das keine. „Carsten ist ein lieber Mensch, der viel nachdenkt, Dinge mit Gelassenheit angeht“, sagte Wolff. Ein Faktor in seiner Entwicklung: Die spanische Torhüterlegende José Hombrados, der zweimal bei der HSG Wetzlar aushalf. Bei ihm hat sich Wolff einiges abgeschaut. Vor allem die sehr ruhige Art. Sich nicht mehr wegen jedes kassierten Tores grämen, ist seine Losung. Tobias Reichmann umschrieb das so: „Er muss lernen, dass Handball-Spiele nicht 0:0 ausgehen.“ Auch Finn Lemke steht in diesen Tagen hoch im Kurs. Der Schlaks macht seine Sache in der Abwehr überragend gut. „Gegen die Slowenen müssen wir gleich ein Zeichen setzten, ihnen das Selbstvertrauen wegnehmen.“ Lemke: „Wir haben noch nichts gewonnen, das wird ein richtig schweres Spiel, beide Mannschaften brauchen den Sieg.“ Der Erfolg kürzlich beim Supercup gegen Slowenien ist für die heutige Partie irrelevant, meinte der Magdeburger. „Das ist eine andere slowenische Mannschaft“, sagte Lemke.

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