Interview Zum Tag des Kaktus: Bloß keine falsche Bewegung!

Am Mittwoch ist Tag des Kaktus: Der Goldkugelkaktus hat auch den deutschen Namen Schwiegermutterstuhl.
Am Mittwoch ist Tag des Kaktus: Der Goldkugelkaktus hat auch den deutschen Namen Schwiegermutterstuhl.

Wer Karina Obeth in Hepberg bei Ingolstadt besucht, muss aufpassen, wohin er geht und fasst. Die 58-Jährige hat 200 piksende Mitbewohner. Woher kommt ihre Leidenschaft für Kakteen?

Frau Obeth, wie viele Stacheln mussten Sie sich schon aus der Haut ziehen?
Viele. Aber ernsthaft verletzt hat mich ein Kaktus noch nie. Kakteen sind nicht giftig. Aber bei sehr feinen, haarigen Dornen muss man schon mit Lupe und Pinzette ran, um die rauszukriegen.

Sie sagen Dornen?
Ja, Kakteen haben Dornen – und Rosen Stacheln. Ein Dorn ist etwas Oberflächliches. Stacheln hingegen kommen aus dem Holz einer Pflanze, sie sind fest mit dem Inneren verbunden.

Dorn hin, Stachel her – im Pflanzenreich wächst kaum etwas Abweisenderes als Kakteen. Warum begeistern Sie sich gerade für diese Gewächse?
Es gibt unter Kakteen kaum etwas, das es nicht gibt. Fast alle stammen aus Amerika. Dort leben Kakteen im tropischen Regenwald Brasiliens ebenso wie in der Kälte Kanadas, am Karibikstrand genauso wie in den Anden auf 4000 Metern Höhe. Manche bleiben klein wie ein Pfennigstück, andere ragen 18 Meter empor. Manche leben wenige, andere Hunderte Jahre. Manche gedeihen säulenartig, andere hängen wie Lametta von Bäumen. Und dann diese fantastischen Blüten! Kakteen blühen in allen Farben, Formen und Größen.

Duften sie auch?
Ja, vor allem solche mit großen Blüten; die sind teilweise größer als die eigentliche Pflanze. Manche riechen schön süß. Andere erscheinen uns Menschen eher unangenehm, wie ich gelesen habe. Aber gefallen muss der Geruch ja auch nur den Bestäubern der Kakteen. Das sind nicht nur Insekten, sondern auch Fledermäuse und Kolibris.

Woher wissen Sie das alles? Wie sind Sie auf den Kaktus gekommen?
Los ging’s mit 13. Damals bekam ich meinen ersten Kaktus geschenkt. Ich mochte dieses abweisende Äußere auf Anhieb – und erst recht den Kontrast, als die Blüten kamen. Ein Kaktus an sich wirkt ja schroff, was auch schön sein kann, wie ich finde. Im Gegensatz zum Körper erscheinen die Blüten so lieblich. Ein super Bildmotiv, mein Handy ist voll von Fotos. Damals als Jugendliche hatte ich meine Fensterbank schnell voll von Kakteen, weil ich mir nach der ersten Pflanze immer mehr zugelegt habe. Aus Platznot endete meine Sammelleidenschaft dann aber erst mal wieder.

Wie ist sie neu erwacht?
Als Erwachsene habe ich einen Kaktus-Stand auf einem Jahrmarkt entdeckt. Die hatten da so tolle Gewächse! In der Zwischenzeit hatte ich meinen Mann kennengelernt, wir bauten ein Haus für uns und er mir später auch noch ein Gewächshaus für meine Pflanzen. So konnte ich mit dem Sammeln wieder loslegen.

Wie viel Arbeit machen die Kakteen?
Das Gießen ist schon aufwendig. Entgegen dem Klischee sind Kakteen nämlich durchaus durstig – zumindest von März bis Oktober. Die übrigen Monate herrscht Winterruhe, das regt die Knospenbildung an. Ach ja, umtopfen und beschneiden muss man Kakteen auch immer wieder.

Wie fassen Sie die Pflanzen an?
Mit dicken Handschuhen und gepolsterten Spezialzangen. Eine Grillzange tut’s aber auch. Größere Exemplare schlage ich in Pappe ein. Und zum Ziehen alter Gewächse, die auf Rollbrettern stehen, nehme ich alte Rollladenbänder her.

Nutzen Sie Ihre Kakteen irgendwie?
Ich nicht, aber Blätter und Früchte sind oft essbar. Die Drachenfrucht zum Beispiel wächst an Kakteen. Aus Kakteen stellt man etwa auch Medikamente, Parfüm und Kunstleder her. Leider beutet die Industrie viele Wildvorkommen arg aus, zahlreiche Kakteenarten sind deshalb gefährdet. Auch rücksichtslose Sammler tragen zur Bedrohung bei, indem sie für seltene Exemplare aus der Natur Tausende Euro bezahlen.

Ihre Sammlung hat beinahe biblische Ausmaße. Gibt es eine Verbindung zwischen Kaktus und Religion?
In Amerika konsumieren Indianerstämme die in einigen Kakteen enthaltene Droge Meskalin. So begeben sie sich zu spirituellen Zwecken in Rauschzustände. Ich hab das nie ausprobiert. Und die Azteken sollen den Goldkugelkaktus für rituelle Handlungen wie Menschenopfergaben benutzt haben. Apropos Goldkugelkaktus …

Ja?
Der wird auch Schwiegermutterstuhl genannt. Witzig, oder? Aber auch gemein. Der Schwiegermutterstuhl ist nun wirklich nicht zum Sitzen da, so pieksig, wie der ist. Es gibt noch mehr nette Namen, Bischofsmütze oder Greisenhaupt zum Beispiel. Die verweisen aufs Erscheinungsbild.

Hegen Sie zum Thema Kakteen noch einen Wunsch?
Einmal nach Mexiko reisen, das würde ich gern. Und die ganzen Kakteen in freier Wildbahn bestaunen.

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