Panorama Im Pfotenparadies

New York. Flugreisen sind für Tiere oft eine Qual. Ein Projekt am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen will das ändern. Mit artgerechter Behandlung – und der ein oder anderen Prise Luxus.

Melissa geht es nicht gut heute Vormittag. Das weiß gefleckte Fell der Stute glänzt vor Schweiß. Unruhig tippelt sie in ihrem Stall von einem Huf auf den anderen. Doch Melissa ist in guten Händen. Zwei Pfleger sind bei ihr, verabreichen ihr Infusionen und Fieber senkende Mittel und beruhigen sie durch Handstreichen und zartes Flüstern. Im Hintergrund rieselt klassische Musik. „Sie ist bald wieder auf den Beinen“, sagt Lauren Neuendorf, die Ärztin vom Dienst hier im neuen Tier-Terminal des New Yorker Flughafens JFK. Vor dem Flachbau im Frachtbereich des Flughafens, über dessen Eingang der Schriftzug „Equine Departures“ (Abflug für Pferde) prangt, steht John Cuticelli, der Besitzer und Direktor des Terminals, das sich als weltweit einmalige Einrichtung verkauft. „Melissa ist das beste Beispiel für das, was wir hier machen“, sagt der 60 Jahre alte Investor. Beim Tiertransport-Dienst des JFK-Flughafens, führt Cuticelli aus, wäre das Pferd in einen winzigen Container gestopft und verfrachtet worden. Niemand hätte Melissa untersucht und schon gar nicht gesund gepflegt. „Vermutlich hätte sie das nicht überlebt.“ Angesichts solcher Risiken sind die 350 Dollar, die der Pferdebesitzer für den Service bezahlt, gut angelegt. „Wir haben hier Turnierpferde, die bis zu einer Million Dollar wert sind“, sagt Cuticelli. Er und sein Team stellen sicher, dass solch wertvolle Frachten den Lufttransport wohl behütet überstehen. Cuticelli und seine Frau Elizabeth Schuette, Geschäftsführerin des sinnigerweise „The Ark“ (Die Arche) genannten Projekts, glauben, dass sie eine Marktlücke stopfen. Dass das Terminal oft als dekadente Luxuseinrichtung beschrieben wird, stört sie allerdings. Für sie geht es darum, Tieren auf Reisen eine artgerechte Behandlung zukommen zu lassen und nicht, Haustiere von betuchten Besitzern zu verwöhnen. So beginnt der Service für Hunde und Katzen bei gerade einmal 100 Dollar. Dafür kann man seinen Liebling sorgenfrei mit in den Urlaub nehmen. „The Ark“ holt das Tier auf Wunsch ab und bringt es zur Arche. Dort werden alle Formalitäten erledigt und Untersuchungen sowie Impfungen vorgenommen. Vorgeschriebene Quarantänezeiten werden eingehalten, die Tiere werden gewaschen und gefüttert und dürfen sich vor der Reise ausruhen. So wie Chester, ein zwei Monate alter Welpe, der gerade eingecheckt hat um nach Europa zu fliegen. Er bewohnt einen etwa drei Quadratmeter großen Stall in der Halle für Kleintiere. Rund 80 Ställe dieser Art sind in dem blitzsauberen Hangar, dessen orangene Betonfarbe „100 Prozent antibakteriell ist“, wie Schuette versichert. Eine Krankheit, das garantiert sie, fängt sich hier kein Tier ein. Chester scheint sich wohl zu fühlen. Nur seine Käfignachbarn nerven ihn ein wenig – zwei große Militärhunde, die auf dem Weg zu einem Einsatz in Afghanistan sind. Auf Besucher reagieren sie eher gereizt, kläffen laut und springen an den Gittern auf und ab. Der Welpe bekommt die erschwingliche Standardbehandlung hier in dem Abschnitt von „The Ark“, der Anfang März in Betrieb gingt. Nach Abschluss aller Arbeiten wird man gegen Aufpreis aber auch Exklusivleistungen buchen können. Bislang ist das vorgesehene „Pfotenparadies“ – eine First-Class-Lounge für reisende Tiere – noch im Rohbau. Fertig ist nur der Empfangsbereich mit Eichenholzböden und Ledersesseln, der einer Business-Lounge des Flughafens in Nichts nachsteht. Ab September wird man durch eine Seitentür dann das „Dog Spa“ betreten können, in dem das reisende Haustier vor und nach dem Flug fit gepflegt wird. Hier wird es Bäder, Massagen, Ruhegelegenheiten und ein Fitnesscenter mit Laufbändern für die Tiere geben – damit Herrchen oder Frauchen ein glückliches, ungestresstes Tier in Empfang nehmen können. Ob das alles ein Erfolg wird, ob John Cuticelli tatsächlich langfristig die knapp 50 Millionen Dollar (umgerechnet rund 46 Millionen Euro) wieder raus bekommt, die er in das Projekt gesteckt hat, ist noch lange nicht abzusehen. Doch der New Yorker Immobilieninvestor ist bekannt dafür, Chancen zu erkennen. Er hat ein Vermögen damit gemacht, überschuldete Bauprojekte zu ersteigern und gewinnbringend zu verkaufen. Was ihm an dem Geschäft mit den Haustieren gefallen habe, sagt er, sei, dass die potenziellen Kunden, wie oft Bauherren und Grundstückseigner auch, irrational handelten. „Wenn es um das geliebte Tier geht, dann wird oft aus dem Bauch heraus entschieden“, sagt er. Nicht selten fliegt die finanzielle Vernunft aus dem Fenster, wenn es um das Wohl der geliebten Lebensbegleiter geht. Und Cuticelli ist dann da, um Herrchen oder Frauchen eine sorgenfreien Flug und ein reines Gewissen zu bescheren.

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