Panorama Großbritanniens Schattenkönig

Charles (mit Ehefrau Camilla im Juni in Ascot) dürfte der am besten ausgebildete Monarch aller Zeiten sein. Der älteste König be
Charles (mit Ehefrau Camilla im Juni in Ascot) dürfte der am besten ausgebildete Monarch aller Zeiten sein. Der älteste König bei Amtsantritt wird er auf jeden Fall.

«London.» Andere in seinem Alter haben es sich schon längst im Ruhestand bequem gemacht. Für ihn kommt der Job seines Lebens erst noch. Charles Philip Arthur George Windsor, besser bekannt als Prinz Charles, wird heute 70. Der britische Thronfolger dürfte, wenn er dereinst Queen Elizabeth II. beerbt, der am besten ausgebildete Monarch aller Zeiten sein. Der älteste König bei Amtsantritt wird er auf jeden Fall.

Es gab eine Zeit, da stand in Frage, ob Charles tatsächlich den Thron besteigen wird. Spekulationen schossen ins Kraut, dass er zugunsten seines ältesten Sohnes Prinz William verzichten sollte. Der Mann, der als 63. König der britischen Monarchie herrschen soll, wurde als Lachnummer porträtiert: Man wollte nicht hinnehmen, dass er seine Jugendfreundin Camilla Parker-Bowles seiner Ehefrau Prinzessin Diana vorgezogen hatte. Mittlerweile sind solche umstürzlerischen Gedankenspiele seltener geworden. Im April hat die Queen signalisiert, wen sie als ihren Nachfolger sehen will, als sie bestätigte, dass Charles nach ihrem Ableben als Oberhaupt des Staatenbunds Commonwealth übernehmen wird. Die 92-Jährige nimmt langsam Abschied von ihren Dienstpflichten, hat Auslandsreisen aufgegeben und lässt Charles an ihrer Stelle repräsentieren. „Reibungslos, diskret und von vielen unbemerkt“, sagt der Königshaus-Experte Robert Jobson, „findet eine Übergabe der königlichen Macht derzeit statt.“ Der Thronfolger sei schon jetzt der „Schattenkönig“. Tatsächlich ist die Arbeitslast des 70-Jährigen in den vergangenen Jahren gewachsen. 14-Stunden-Tage sind üblich; rund 600 offizielle Termine im Jahr nimmt Charles wahr. Da die Queen nicht mehr außer Landes reist, sind die Überseetouren des Thronfolgers de facto Staatsbesuche. Man habe mittlerweile, urteilt Jobson, eine arbeitsteilige Monarchie, bei dem der Erbe die Richtung des Hauses Windsor vorgebe. Abdanken wird die Queen allerdings nicht. Ihr Throneid ist ihr heilig. Andererseits gibt es Spekulationen, ob nicht das Regentschaftsgesetz bemüht werden sollte, das zuletzt 1810 während der Herrschaft von George III. in Kraft trat. Vertraute von Elizabeth II. geben zu verstehen, dass die Queen in drei Jahren, wenn sie 95 Jahre alt ist, die Macht übergeben werde, indem sie zwar offiziell noch Königin bleibt, aber ihren ältesten Sohn zum Regenten ernennt und ihm die Amtsgeschäfte überträgt. Damit wäre Charles in der Position angelangt, auf die er sich ein Leben lang vorbereitet hat. Schon seine Erziehung bedeutete einen Bruch mit der Tradition. Der älteste Sohn der Queen wurde nicht von Hauslehrern, sondern im Eliteinternat Gordonstoun aufgezogen. Als erster „Royal“ besuchte er eine Universität, bevor er sich seine Offiziersschnüre bei Luftwaffe und Marine verdiente. Charles war ein sensibler und musisch interessierter Jüngling, der zugleich die eher martialischen Vergnügungen der Hocharistokratie wie Schießen, Fischen und Jagdreiten genoss. Er hatte seinen eigenen Kopf. Früh dachte er über Themen wie Umweltschutz, menschenwürdige Architektur und Hilfe für soziale Randgruppen nach. Vor seiner Begegnung mit Diana Spencer erschien der Prinz den Briten als ein eher linkischer Junggeselle, der immer noch bei seinen Eltern wohnt. Die Heirat mit Lady Di katapultierte Charles dann in die Position eines Märchenprinzen, der dazu verdammt war, all die Hoffnungen zu erfüllen, die eine gläubige Verehrerschaft in das Eheglück des Traumpaares hineinprojizierte. Das konnte nicht gut gehen, die Ehe wurde ein Desaster. Da der Märchenprinz die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, so gründlich zerstörte, wurden fortan andere Seiten seines Charakters entweder ignoriert, belächelt oder gleich niedergemacht. Der Einsatz des Prinzen für biologischen Landbau und alternative Medizin, für die Regenerierung der Innenstädte und die Verständigung mit dem Islam oder auch sein Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit – all dies ging unter. Schlagzeilen dagegen machte, als Charles zugab, mit Pflanzen zu reden, oder sein Wunsch, als Camillas Tampon wiedergeboren zu werden. Nach seiner Scheidung von Diana war die Popularität des Prinzen an einem Tiefpunkt angelangt. Die Wende kam erst nach dem Tod von Lady Di. Die Popularitätswerte des Thronfolgers kletterten, weil er als fürsorglicher Vater gesehen wurde, der seine Söhne William und Harry über das Trauma des Verlusts der Mutter hinweghalf. 2005 konnte Charles zu guter Letzt die Frau ehelichen, in die er verliebt war, seit Camilla ihn 1970 auf einem Poloturnier traf und auf die Affäre ihrer Vorfahrin Alice Keppler mit Edward VII. anspielte: „Meine Urgroßmutter“, begrüßte sie ihn, „war die Geliebte deines Ururgroßvaters – also wie wäre es mit uns beiden?“

x