Panorama Gewaltwelle erschüttert London

Spurensuche: In diesem Jahr starben bereits 62 Menschen eines gewaltsamen Todes.
Spurensuche: In diesem Jahr starben bereits 62 Menschen eines gewaltsamen Todes.

«London.» Bandenkriege, Messerstechereien, Schießereien: Meldungen über Gewaltverbrechen in der britischen Hauptstadt London häufen sich. Seit Beginn des Jahres wurden mehr als 60 Menschen Opfer tödlicher Angriffe.

Rhyhiem Ainsworth Barton ist bereits das 62. Mordopfer in diesem Jahr. Der 17-Jährige spielte Fußball, als er erschossen wurde. Die Anzahl der Tötungsdelikte in der britischen Hauptstadt ist rasant gestiegen. Wie die Zahlen der Nationalen Statistikbehörde ausweisen, gab es von März 2017 bis 2018 einen Anstieg um 44 Prozent. In absoluten Zahlen bedeutet das 157 Tötungsdelikte gegenüber 109 ein Jahr zuvor. Im Februar und März lag Londons Mordrate sogar höher als die der US-Metropole New York. Polizeipräsidentin Cressida Dick sieht einen besorgniserregenden Trend: Täter wie Opfer würden immer jünger – und meist handele es sich dabei um schwarze Männer. Die Chefin von Scotland Yard ist außerdem davon überzeugt, dass die sozialen Medien die Misere beschleunigten: Straßengangs posteten Fotos, mit denen rivalisierende Banden herausgefordert würden. Es seien Provokationen, die schnell zu Racheaktionen führten, so Dick. Auch Rhyhiem Ainsworth Bartons Tod hat wahrscheinlich damit zu tun, dass er Musikvideos postete, durch die sich eine Gang herausgefordert fühlte. Der Unterhausabgeordnete David Lammy, der den Problembezirk Tottenham vertritt, ist alarmiert. „Was wir jetzt sehen, ist schlimmer, als alles, was ich bisher erlebt habe.“ Er macht in erster Linie den Drogenhandel und die jährlich umgesetzten 12,5 Milliarden Euro als Ursache für die Gewaltwelle aus. „Wir sind der größte Drogenumschlagplatz in Europa“, sagt Lammy. Straßengangs in London bekämpften sich aber oft allein schon wegen eines falsch verstandenen Ehrbegriffs. Verantwortlich für das Problem sei allein die Regierung, sagt der Labour-Abgeordnete. Seit 2010, als die Konservativen an die Macht kamen, wurden in Großbritannien rund 21.000 Polizeistellen gestrichen. Zugleich wurden den Kommunen die Zuwendungen gekürzt, was diese wiederum bei der Jugendarbeit einsparten. In London hat das zur Schließung von 30 Jugendclubs geführt; 40 Prozent der Stellen von Jugendsozialarbeitern wurden gestrichen.

x