Großbritannien Charles III. wird 75: Ehrentag ist Arbeitstag

König Charles III. während der King’s Speech zur Eröffnung des Parlaments.
König Charles III. während der King’s Speech zur Eröffnung des Parlaments.

Er wurde als ewiger Thronfolger verspottet. Seit gut einem Jahr ist Charles nun britischer König. In seinem neuen Amt hat er an Statur gewonnen. Ein Makel bleibt an seinem 75. Geburtstag.

Da ist er ganz wie sein Vater, der verstorbene Prinz Philip: Großes Aufhebens soll um seine Person nicht gemacht werden. Wenn König Charles III. an diesem Dienstag seinen 75. Geburtstag feiert, dann aber bitte schön bescheiden. Wie um zu unterstreichen, dass sein Ehrentag auch ein Arbeitstag ist, wird der Monarch am Morgen in die Grafschaft Oxfordshire reisen, um seine neueste Initiative vorzustellen: „The Coronation Food Project“ soll das Problem der Lebensmittelverschwendung angehen. Rund zwölf Millionen Tonnen verderben jedes Jahr im Königreich.

Doch Arbeitstag hin, Geburtstag her – ein 75. Wiegenfest kann man nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Daher wird natürlich doch gefeiert. Charles hat seine engsten Familienmitglieder und Freunde nach „Clarence House“, der königlichen Residenz in London, zum Dinner eingeladen. Eine Person wird fehlen: sein jüngster Sohn Prinz Harry. Der Prinz wolle seinen Vater brüskieren und habe daher die Einladung ausgeschlagen, berichteten mehrere britische Zeitungen. Mitnichten, konterte das Pressebüro von Harry. Vielmehr seien er und seine Frau Meghan vom Buckingham Palast erst gar nicht eingeladen worden, ob sie nach London kommen wollten.

Zerwürfnis mit Harry

Wie dem auch sei, eines steht fest: Die Familienkrise im Hause Windsor ist alles andere als beigelegt. Das Zerwürfnis fing 2020 mit dem sogenannten „Megxit“, dem Umzug des Herzogspaars von Sussex nach Kalifornien, an und setzte sich mit einem TV-Interview mit Oprah Winfrey fort, in dem Harry und Meghan schwere Vorwürfe gegen das Königshaus erhoben. Eine Netflix-Dokumentation und die Anfang des Jahres erschienene Autobiografie des Prinzen vertieften die Gräben. Seit dem Tod der Queen vor mehr als einem Jahr, melden britische Boulevardblätter, habe Charles nicht mehr mit Harry gesprochen. Zur Krönung seines Vaters im Mai reiste er zwar an, blieb aber weniger als 24 Stunden im Land. Das zerrüttete Verhältnis bleibt eine der großen persönlichen Baustellen des Königs.

Ansonsten darf der Monarch mit seiner Bilanz zufrieden sein. Als Charles im September 2022 den Thron bestieg, befand sich das Land in einem politischen Chaos. Premierminister Boris Johnson war gerade wegen der Partygate-Affäre zurückgetreten. Seine Nachfolgerin Liz Truss löste eine Finanzkrise aus und konnte sich nur 49 Tage im Amt halten. So musste mit Rishi Sunak in aller Eile ein weiterer Regierungschef gefunden werden. Da kam den Briten der neue König mit seinem unaufgeregten Auftreten und seiner seriösen Präsenz gerade recht, vermittelte er doch den Eindruck, dass das Land wieder mit ruhiger Hand geführt werde. Die Umfragewerte anlässlich seines ersten Amtsjubiläums bestätigten das: 59 Prozent der Briten sind der Meinung, dass der König seine Aufgabe gut erledigt, während nur 17 Prozent der gegenteiligen Ansicht waren. Das sind Werte, an die kein britischer Politiker heranreicht.

Kritik am Brexit?

Auch auf internationalem Parkett machte er eine gute Figur. In den letzten Jahren ihrer Herrschaft konnte die Queen aufgrund ihres Alters keine Staatsbesuche mehr unternehmen. Charles hat die Monarchie wieder um die Dimension der Repräsentation im Ausland erweitert. Sein erster Staatsbesuch führte ihn im März nach Deutschland, wo er vor dem Bundestag an die Handelspartnerschaft beider Länder erinnerte. „Wo Waren fließen“, sagte Charles, „fließen auch Ideen.“ War das etwa Kritik am Brexit?

Als er noch Thronfolger war, fiel der damalige Prinz von Wales durch politischen Aktivismus auf: Der Einsatz für die Umwelt, für den Klimaschutz oder für die Verständigung mit dem Islam waren Charles’ Themen. Seine Opposition gegen den Irak-Krieg oder sein Widerstand gegen genetisch modifizierten Mais waren sogar von parteipolitischer Brisanz. Damit musste Schluss sein, als er König wurde, denn der Monarch ist zu strikter Neutralität verpflichtet. Bei seiner ersten „King’s Speech“, der Thronrede im Parlament, in der der König das Programm der Regierung verlas, dachten einige Beobachter, dass Charles wohl jetzt Kröten schlucken muss, weil er, der ausgewiesene Klimaschützer, das Vorhaben zu verkünden hatte, dass in der Nordsee neue Gas- und Ölfelder erschlossen werden sollen. Doch dem Minenspiel Seiner Majestät war nichts anzumerken. Der Aktivisten-Prinz ist zum königlichen Staatsmann geworden.

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