Kultur Leitartikel zum Tag der Architektur: Räume prägen Menschen und umgekehrt

Architektur tut etwas mit uns. Was, lässt sich besonders dann erfahren, wenn sie besonders schlecht geplant ist. Dann wird eine Rheinpromenade zur Feuerwehrzufahrt degradiert. Oder besonders gut. Und aus dem Umbau einer Scheune wird ein Dorferneuerungsprogramm. Die Architektur ist Sozialkitt der Gesellschaft. Ein Heimatthema , Treiber persönlichen Glücks und der Lebensqualität, eine Augenfreude. Leider spielt sie oft gar keine Rolle.

Tag der Architektur? Ist ja eigentlich immer. Die „Mutter aller Künste“ betrifft jede, jeden. Jeden Tag. Einfach ständig. Selbst wenn es uns nicht bewusst ist, spüren wir doch, dass das uns umgebende Gebaute etwas mit uns macht. Beim Wohnen, beim Herumgehen, beim Warten. Kurz: beim Leben. „Räume prägen“, heißt das Motto des diesjährigen Tags der Architektur am Wochenende. Stimmt!. Wie sehr, fällt vor allem im Negativen auf.

Bei Bausünden oder städtebaulichen Fehlleistungen etwa, wie sie in Ludwigshafen zu erleiden sind, wo eine Shopping Mall die Rheinpromenade zur Feuerwehrzufahrt degradiert und mitten in der Stadt ein seit Jahren eine Baustelle kratert, wo ein urbaner Platz sein könnte. Wie positiv indes das Raumgefühl sich auswirkt, will der Tag der Architektur dieses Mal bei uns hier zum Beispiel mit der dorferneuernden Umnutzung einer Scheune in Gleisweiler zeigen. Einem barrierefreien Bauprojekt in Neustadt. Oder mit dem Veldenzschloss in Lauterecken, dem mit Architektur wieder aufgeholfen worden ist.

Was auffällt: Aus Kaiserslautern mit seiner TU und deren renommiertem Fachbereich Architektur ist lediglich eine Kita dabei. In Ludwigshafen ist kein zeitgenössisches Bauwerk beim Tag der Architektur zu besichtigen. Aus Landau, der zukunftsglimmenden Südpfalz-Metropole, sind immerhin drei dabei.

Baumeister haben Verantwortung und Macht im Sozialen

Baumeister haben Verantwortung, eine Macht im Sozialen. Das Wohnen ist die zentrale Gerechtigkeitsfrage. Architektur so etwas wie der Sozialkitt der Gesellschaft. Ein Heimatthema, Treiber persönlichen Glücks, Lebensqualität und Augenfreude für andere. Das Interesse der Tausenden, die am Wochenende unterwegs sein werden, ist dafür ein Indiz.

Was ist zu sehen? Einmal mehr die stilprägende Liaison von Wein und Architektur, die jetzt schon eine halbe Ewigkeit währt. Mindestens seit 1929 jedenfalls, als in Kindenheim das Weingut Kreutzenberger entstand, das im Bauhausjubiläumsjahr als nationaler Leuchtturm gilt. Dazu die Revitalisierung alter Gebäude wie in Bad Bergzabern, wo ein mehrfach zerstörtes, denkmalgeschützte Wohnhaus aus dem Jahr 1580 wieder belebt wird. Oder in Landau, wo mit Möglichkeitssinn ein Barockhaus ertüchtigt wurde. Und natürlich gibt es auch das zu betrachten, Architektur für Wohn- und Designzeitschriften, die abseits des für Normalsterbliche Erreichbaren liegt. Am Tag der Architektur muss man dafür nur nach Wallhausen fahren, ins Rheinhessische, wo ein Poolhaus mit Außenanlage siedelt.

Private Bauherrn, die sich um die Baukultur bemühen, sind Helden des Alltags

Für die öffentlichen Bauherren gehört die Teilnahme an dem Tag dabei zu den Pflichtaufgaben gegenüber den Geldgebern, also uns. Der Mut privater Bauherren aber, ihr Tageslichtbad Wildfremden herzuzeigen, verirrte Frühaufsteher klingen um sieben an der Tür, ist geradezu heroisch. Prägend. Und das am heiligen Sonntag. Ihr Besitzerstolz ist sehr berechtigt.

Denn trotz der Flucht vor Negativzinsen in die Immobilie, dem Boom des Bauens, in Architektur wird viel zu selten investiert. Wie oft wird kein/e Architekt/in bemüht, wenn gebaut wird? Dafür Bauträger, deren Renditen – 20 Prozent in der Regel - das Architekt/innen-Honorar übersteigen. Allermeistens. Und mit Folgen. Private Bauherren, die sich um die Baukultur bemühen, sollten für ihre prägende Rolle gefeiert werden. Sie sind Helden des Alltags. Verschönern sich und uns das Hiersein tagtäglich.

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