Zweibrücken Zur Dada-Geschichte: Am 5. Februar 1916 verkündete Hugo Ball das Ende der Kunst

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Die Ereignisse im Februar 1916 in der Züricher Spiegelgasse stehen für eine Zeit, die sehr spannend gewesen sein muss, als Hugo Ball mit Emmy Hennings (1885-1948), Hans Arp (1886-1966) , Tristan Tzara (1896-1963) und Marcel Janco (1895-1984) den Dadaismus gründete. Die Protagonisten fühlten sicher einen unbeschreiblichen Taumel, als sie die Grundfesten der damals üblichen Kunst einrissen, alles in Frage stellten und nichts weniger als das Ende der Kunst verkündeten. Ein Grundgefühl von Ball, Hennings und Arp war ein heftiges Bauchgrimmen. Einerseits wegen des unfassbaren Schlachtens an den Fronten des Ersten Weltkriegs, wo sich der Deutsche Ball und der Franzose Arp eigentlich gegenseitig den Schädel hätten einschlagen müssen. Das Züricher Exil schützte sie vor dem sicheren Tod. Ein anderes Grimmen verursachte der permanente Hunger, der ein weiterer Grund für die Gründung des Cabaret Voltaire war. Ball und Arp waren Flüchtlinge, die in Zürich gestrandet waren. Wenige Häuser vom Cabaret Voltaire entfernt residierte Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt als Lenin. Der nackte Überlebenskampf hatte aus dem renommierten Journalisten und Dramaturgen Hugo Ball den Chef einer Tingeltangeltruppe gemacht. Mit seiner späteren Ehefrau Emmy Hennings zog er über die Dörfer und spielte Varietéstücke: Ball saß am Klavier, Hennings sang. In Zürich mieteten die beiden den Nebensaal einer Metzgerei für ihr Cabaret Voltaire. Kurz vor der in der Zeitung annoncierten Eröffnung stießen die übrigen Dada-Protagonisten dazu. Die Truppe schuf innerhalb weniger Wochen die Grundlagen für Abstrakte Kunst, Neue Musik und expressive Literatur. Dass die damals zahlreichen Gäste des Cabarets verstanden, was Ball da auf der Bühne bot und was die damals sehr seltsam anmutenden Bilder an den Wänden zu bedeuten hatten, darf bezweifelt werden. Adrian Notz, Direktor des 2004 wiedereröffneten Cabaret Voltaire in der Zürcher Altstadt, meint: „Sie mussten interessanter sein als ein Bier.“ Das floss an den Cabaret-Abenden in Strömen, während Ball aus seinem Roman las, Henning tanzte und sang und andere Künstler, von denen später Werke zu schwindelerregenden Preisen verkauft werden sollten, ihre Arbeiten präsentierten. Im Juni erfand Ball die ersten Lautgedichte und trug sie in dem legendären kubistischen Kostüm vor. Vorbild dazu war Litanei der Priester in der Pirmasenser Pirminiuskirche. Im Juli war in der Spiegelgasse Schluss, weil die Behörden die Sperrstunde auf 22 Uhr legten, zu einer Zeit, als es im Cabaret Voltaire erst richtig zur Sache ging. Die Dadaisten zogen in die heute feudale Bahnhofstraße und eröffneten eine Galerie. Der Dadaismus war im Establishment angekommen. Ball und Hennings wurden prominent. Die Galerie war ständig überlaufen. Die Bedeutung Hugo Balls für den Dadaismus ist unbestritten. Marcel Janco, Dadaist der ersten Stunde, erklärte später mal in einem Interview: „Der am meisten für Dada Verantwortliche war Hugo Ball. Er gründete die Bewegung und leitete ihre Aktivitäten auf allen Feldern kreativer Erfahrungen.“ Der Erfolg von Dada war Ball suspekt. Er distanzierte sich von der Kunstrichtung, die er lieber weiter so schwebend wie möglich gesehen hätte und kehrte Dada und Zürich bereits 1917 den Rücken. (kka)

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