Zweibrücken Schmidts Katze und Gwildis’ Beatbox

Gemischtes Doppel: Julia Neigel und Stefan Gwildis boten beste Unterhaltung in Zweibücken.
Gemischtes Doppel: Julia Neigel und Stefan Gwildis boten beste Unterhaltung in Zweibücken.

Bigband-Konzerte mit Stars gehören seit einigen Jahren zum festen Bestandteil des Zweibrücker Euroclassic-Festivals. Diesmal kam die Göppinger Lumberjack Bigband. Sie bereitete den 400 Besuchern den Boden für Julia Neigel und Stefan Gwildis. Selten war ein derartiges Konzert so dynamisch.

Die beliebte SWR-Bigband mit den Kollegen von Lumberjack Bigband zu vergleichen, ist nicht einfach. Beide Formationen bestehen aus herausragenden Könnern. Nur ist deren jeweilige Ausrichtung sehr unterschiedlich. Die SWR-Bigband agierte in den Vorjahren recht staatstragend, also ernsthaft. Die Lumberjack Bigband geht dagegen ab wie Schmidts Katze. Das liegt an Orchesterleiter Alexander Eissele, der den Abend nicht nur mit sympathisch badischem Akzent moderiert. Er verbreitet die Dynamik einer nicht zu bändigenden Knutschkugel. Eissele Er feuert die Zweibrücker ständig zum Ausflippen an. Noch bevor das Orchester in „Chicken“ von Alfred James Ellis einsteigt, wirft der Impressario salopp in hohem Winkel sein Sakko ins Publikum. Das hat man in der ehrwürdigen Festhalle noch nicht so oft gesehen. Und das darauf folgende instrumentale Funksoulfeuerwerk macht gleich Lust auf mehr. Schon nach dem ersten Song kommt Stefan Gwildis auf die Bühne. Der Hamburger beweist sich als Entertainer im besten Rat Pack Stil. So bezeichnete man einst Frank Sinatra, Sammy Davis jr. und Dean Martin. Die Schauspieler-Sänger gaben 1959 bis 1966 legendäre Konzerte in Las Vegas. Das Einzige, was Gwildis im Vergleich zu den großen Drei fehlt, sind ein Glas Whisky und Zigaretten. Mit seinem Hit „Spiel das Lied in Dir“ von 2012 packt er sein Publikum gleich beim Schopf. Nach nicht einmal 15 Minuten steht es erstmals von den Stühlen auf. Es wird getanzt und mitgeklatscht. Gwildis Kunst ist es, Klassiker der angloamerikanischen Pop- und Soulmusik in die deutsche Sprache zu überführen, ohne dass das anbiedernd klingt. Er schafft es sogar, Joe Cockers „You Can Leave Your Hat on“ – den Song zum legendären Strip der Kim Basinger im Kinofilm „9 ½ Wochen“ – in passende Worte zu übersetzen. Gwildis Kim Basinger in Sachen Gesang ist an diesem Abend die Ludwigshafenerin Julia Neigel. Die steht zu „Lass mal ruhig den Hut auf“ zwar nicht auf der Bühne. Ihr Paillettenkleid im ersten Teil des Konzerts - und ein umwerfendes grünes Abendkleid zu dessen Fortsetzung – sind jedoch nicht minder atemberaubend. Singen kann die in Russland geboren Rockmusikerin sowieso. Aus ihrer ersten Karriere, als Jule Neigel, gibt es leider nur „Schatten an der Wand“ zu hören. Wie schön wäre es gewesen, auch die Ballade „Weil ich Dich liebe“, eventuell sogar im Duett mit Stefan Gwildis, zu erleben. Besonders stark ist die 52-Jährige, wenn sie Lieder covert. Wie zuerst „You`ve Got a Friend“, von James Taylor, gemeinsam mit Stefan Gwildis. Es ist sicher keineswegs leicht, nach Aretha Franklins Tod im August, deren Klassiker „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“ zu singen. Neigel tut das grandios, hinreißend, mit umwerfender Leidenschaft. Noch besser ist sie in Joe Cockers „Have a Little Faith in Me“, das eigentlich für eine Männerstimme arrangiert wurde. Hier gerät die Sängerin in die Stimmlage der fabelhaften Macy Gray. Herausragend, wie sich die Bigband mit ihr an das Rockstück „Dig“ von Incubus wagt. Spätestens hier glänzt Julia Neigels Stern in Zweibrücken brillant. Mit ihren tollen Liedern könnten sich Neigel und Gwildis ein Duell darüber erlauben, wer nun mehr stehenden Applaus erhält. Doch darüber nachzudenken, ist nach unterhaltsamen und laut beklatschten drei Konzertstunden, inklusive Pause, müßig. Trotzdem ist Stefan Gwildis am Ende aus künstlerischer Sicht knapper Punktsieger vor Neigel. Er ist einfach der bessere Entertainer, plaudert humorvoll mit dem Publikum und haut zum Schluss noch ein Beatbox-Spektakel raus. Das beruht auf „Ain`t No Sunshine“ von Bill Withers. Das erzeugt zum Abschied ein ausgeprägtes Gänsehautgefühl. Ein Dankeschön für diesen großartigen Euroclassic-Abend. An beide.

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