Zweibrücken Reizvolle Gärten im Regen

Kammermusikalische Raritäten sind seit zwölf Jahren, seit das Berliner Vogler-Quartett in die Leitung einstieg, das Besondere der Homburger Kammermusiktage. Im Eröffnungskonzert der 19. Auflage des kleinen Festivals erklangen drei Werke, denen man auch in der langen Reihe der Meisterkonzerte noch nicht begegnen konnte.

Dabei gehören die Namen der drei Komponisten längst zum festen Repertoire aller Konzerte. Aber jeder von ihnen hatte auch Werke geschrieben, die weniger populär geworden sind. Dies gilt auch für Joseph Haydns 1772 entstandenes Streichquartett op. 20 Nr. 4, dessen ungewöhnliche Tempo- und Vortragsbezeichnungen darauf hindeuten, dass es sich nicht um ein düsteres Affektdrama, sondern um ein fröhliches und optimistisches Stück handelt. Die Musiker Tim Vogler und Frank Reinecke (Violinen), Stefan Fehlandt (Viola) und Stephan Forck (Violoncello) stellten nun keine Reminiszenz an die vorausgegangene Barockzeit vor. Sowohl der leicht melancholische langsame Satz und der Ausflug in die ungarische Umgebung von Schloss Esterhazy im Menuett waren von den beiden Allegro- und Presto-Sätzen wunderschön eingebunden. Wie man es seit zwölf Jahren von den Voglers gewohnt ist, war ein perfektes Zusammenspiel ebenso zu erleben wie eine liebevolle Vertiefung in die Einzelheiten dieses frühen Haydn-Quartetts. Da die Kammermusiktage ihren besonderen Reiz durch die Vielfalt der Interpretationen erhalten haben, war es auch am ersten Abend nicht anders. Nach der vierstimmigen Streichermusik folgte ein knapp zwölfminütiges Klavierwerk aus Claude Debussysmittlerer Schaffenszeit. Gerade in dieser Periode sehen manche Beurteiler die Vollendung des eigentlichen musikalischen Impressionismus. Dies gilt sicher auch für die drei Skizzen der „Estampes“, die der 1977 in Dublin geborene und mit vielen Auszeichnungen versehene Pianist Finghin Collins im Homburger Saalbau spielte. Von Debussy stammt dazu der Satz: „Wenn man nicht das Geld hat, um sich wirkliche Reisen leisten zu können, muss man sie im Geiste machen…“ Er hat deshalb den einzelnen Teilen poetische Titel gegeben und damit malerische Stiche (so könnte man „Estampes“ übersetzen) ein tonales, leicht eingängiges Klanggebäude erstellt. In Finghin Collins’ Lesart fanden „Pagoden“, „Grenade“ und die „Gärten im Regen“ eine klangvolle und technisch faszinierende Gestaltung en miniature. Jedes der kurzen Stücke erhielt seinen besonderen Charakter. Tatjana Masurenko (Viola) war nach der Pause die Partnerin des Vogler-Quartetts im zweiten Streichquintett G-Dur op. 111 von Johannes Brahms. Ursprünglich wollte er damit seine kompositorische Tätigkeit abschließen, ließ sich aber später doch dazu überreden, weitere Werke zu schreiben. Trotz der Absicht, aufzuhören, enthält dieses reizvolle, sehr selten zu hörende, Werk keine Wehmut und auch keine Abschiedsstimmungen. Das Quintett ist, wie sein Schwesterwerk, 1890 in Bad Ischl entstanden und im gleichen Jahr in Wien uraufgeführt worden. Die fünf Musiker stürzten sich mit viel Elan und Freude in die köstlichen Klangbilder dieses Werkes und in seine „sonnenbeschienene Landschaft“, wie es in einem Kommentar heißt. So konnte sich sehr schnell ein herrlich klingendes romantisches Musizieren, gelöst und ganz bejahend, entwickeln, wie man es von Brahms selten erlebt. Nach dem ernsteren Stimmungsbereich des langsamen Satzes und dem zarten, ungemein anmutigen, fast schwerelos dahinschwebenden Allegretto-Satzes gewann erdgebundener Frohsinn im Finale die Oberhand. Das begeisterte Publikum – etwa 200 Zuhörer waren gekommen – dankte diesem wohlgelungenen und eindrucksvollen Eröffnungskonzert mit langanhaltendem Beifall.

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