Zweibrücken Ohne Dada gäbe es keinen Poetry Slam

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Hugo Ball und Dada sind in diesem Jahr in aller Munde. Nicht nur in Pirmasens. Dementsprechend oft klingelt zurzeit bei dem Pirmasenser Literaturwissenschaftler und Experten Eckhard Faul das Telefon. Am Donnerstag hielt er zu diesem Thema einen Vortrag im Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen, am Sonntag, 31. Juli, spricht er in der Kaiserslauterer Pfalzgalerie beim Kunstfrühstück über den Dadaismus. Christiane Magin unterhielt sich mit ihm.

Was erwartet den Besucher beim Kunstgespräch in der Pfalzgalerie?

Beim Kunstfrühstück in der Pfalzgalerie unterhalte ich mich mit Annette Reich, der Leiterin der Gemälde- und Skulpturensammlung, vor einem Bild von Hans Arp und einer Büste Hugo Balls über die historische und auch gegenwärtige Bedeutung und Ausprägung des Dadaismus. Wohin uns das Gespräch führen wird, davon lasse ich mich überraschen. Was ist für Sie das Herausragende der Züricher Dada-Bewegung? Die enorme Anstoßwirkung, die von dem unscheinbaren Lokal ausgegangen ist. In den fünf Monaten seiner Existenz wurde es nur von wenigen wahrgenommen und hat doch einen solchen Einfluss auf die gesamte Entwicklung der Kunst genommen. Gibt es für Sie so etwas wie Neo-Dada? Wenn ja, welche Künstler oder Intellektuelle fallen Ihnen dazu ein? Zentrale Elemente von Dada sind mittlerweile in der Kunst selbstverständlich. Die kritische Haltung gegenüber allem einschließlich des Sich-Selbst-in-Frage-Stellens etwa. Das provokatorische Moment von Dada funktioniert heute nur noch bedingt, weil wir uns an zu vieles gewöhnt haben und nicht mehr so leicht zu erschüttern sind. Neo-Dada selbst ist eine mittlerweile historisch gewordene Bewegung. Vor 50 Jahren knüpfte sie an Dada an und setzte mit der Aktionskunst oder dem Happening neue Akzente. Eine solche Bewegung gibt es heute nicht mehr. Aber es gibt einzelne Künstler, die sich Dada nahe fühlen. Momentan ist vielleicht Jonathan Meese am bekanntesten. Und bis zu seinem frühen Tod vor sechs Jahren auch Christoph Schlingensief. Die performative Kunst hat in den vergangenen Jahren wieder eine größere Bedeutung gewonnen – sie hat ihre Wurzeln direkt bei Dada. In der Literatur führt man die inzwischen stark institutionalisierte Idee des Poetry Slam – jeder kann auf eine Bühne gehen und etwas vortragen – auf Ideen Dadas zurück. Welches waren 2016 die besten Veranstaltungen zu Ehren Dadas? Die Höhepunkte haben zweifellos in Zürich stattgefunden. Die Stadt hat sich zum ersten Mal wirklich auf sein historisches Erbe eingelassen und dies als Möglichkeit begriffen, auf das kulturelle Leben der Stadt nachdrücklich aufmerksam zu machen. Es gab Ausstellungen zu Dada in nahezu allen Museen der Stadt und im heutigen Cabaret Voltaire, das es seit 2002 wieder gibt, wurde täglich ein Dada-Event geboten. Die Festspiele Zürich haben im Sommer über 150 Veranstaltungen unter das Leitmotiv Dada gestellt. Mit diesem Dada-Spektakel konnte niemand ernsthaft konkurrieren. In Deutschland fällt die Resonanz deutlich geringer aus. Hervorzuheben ist die Ausstellung „Genese Dada“ im Arp Museum Rolandseck. Und nicht vergessen werden darf der Veranstaltungsreigen in Hugo Balls Geburtsstadt Pirmasens. Es gab kürzlich die sehr schöne Lange Dada-Nacht und mit der für November geplanten Eröffnung einer Hugo-Ball-Dauerausstellung hält die Stadt noch einen Höhepunkt bereit. Eine Info-Stele vor dem Geburtshaus von Hugo Ball besitzt die Stadt seit kurzem nun auch. Sie sind in Pirmasens die Instanz in Sachen Dada. Wie kam es dazu? Ich beschäftige mich schon seit meinem Studium in den frühen 80er Jahren mit Hugo Ball. Meine Dissertation schrieb ich zu Balls Freund, dem expressionistischen Dichter Hans Leybold. Als Ernst Teubner in Pension ging, endete auch mein Beschäftigungsverhältnis an der Universität Saarbrücken, was für alle Beteiligten ein glücklicher Umstand war: Zum einen konnte Ernst Teubners verdienstvolle Arbeit fortgesetzt werden, zum anderen war es mir möglich, als Literaturwissenschaftler in meiner Heimatstadt Pirmasens zu arbeiten. Vortrag —Kunstfrühstück in der Pfalzgalerie Kaiserslautern, Sonntag 31. Juli, 11 Uhr, Eckhard Fauls Thema: „Dada – Kunstrevolte vor 100 Jahren“, Eintritt 15 Euro, Anmeldung: Telefon 0631/3647201. |ckkm

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